Ein Kampf um Rom
Barbaren getrotzt hinter unsern Mauern«, sprach er, mutig das schöne Haupt aufwerfend.
»Ja. So, wie ich diese Mauern herstellen werde – eine Ewigkeit, mein Licinius: wie sie jetzt sind – nicht einen Tag.«
»So wären wir gestorben als freie Bürger«, sprach Scaevola.
»Das hättet ihr vor drei Stunden in der Kurie auch gekonnt«, lachte Cethegus achselzuckend.
Silverius trat mit offnen Armen, wie um ihn zu küssen, auf ihn zu; vornehm entzog sich Cethegus:
»Du hast uns alle, du hast Kirche und Vaterland gerettet! Ich habe nie an dir gezweifelt!« sprach der Priester.
Da ergriff Licinius die Hand des Präfecten, die dieser ihm willig ließ: »Ich habe an dir gezweifelt«, rief er mit schöner
Offenheit, »vergib, du großer Römer. Dies Schwert, das dich heute durchbohren sollte, dir ist es fortan für ewig zu Dienst.
Und bricht der Tag der Freiheit an, dann keine Konsuln, dann salve, Dictator Cethegus!«
Und mit leuchtenden Augen eilte er hinaus. Der Präfect warf ihm einen befriedigten Blick nach.
»Dictator, ja, doch nur bis zur vollen Sicherheit der Republik!« sprach der Jurist und folgte ihm.
»Jawohl«, lächelte Cethegus, »dann wecken wir Camillus und Brutus wieder auf und führen die Republik da fort, wo sie diese
vor tausend Jahren gelassen. Nicht wahr, Silverius?«
»Präfect von Rom«, sprach der Priester, »du weißt, ich hatte den Ehrgeiz, die Sache des Vaterlands wie der Heiligen zu leiten:
ich hab’ ihn nicht mehr seit dieser Stunde. Dein sei die Führung, ich folge. Gelobe nur das eine: Freiheit der römischen Kirche
– freie Papstwahl.«
»Jawohl«, sagte Cethegus, »sowie nur erst Silverius Papst geworden. Es gilt.« –
Der Priester schied mit einem Lächeln auf den Lippen, aber schwere Gedanken im Herzen.
»Geht«, sagte Cethegus nach einer Pause, den dreien nachblickend, »ihr werdet keinen Tyrannen stürzen – ihr braucht einen
Tyrannen!«
Dieser Tag, diese Stunde wurden entscheidend für Cethegus: fast ohne seinen Willen wurde er durch die Ereignisse fortgetrieben
zu neuen Stimmungen und Anschauungen, zu Zielen, welche er sich bisher nie mit solcher Klarheit vorgesteckt, oder doch nie
als mehr denn Träume, als Ziele eingestanden hatte. Er erkannte sich in diesem Augenblick als alleinigen Herrn der Lage: er
hatte die beiden großen Parteien der Zeit, die Gotenregierung und ihre Feinde, die Verschwornen, völlig in seiner Hand. Und
in der Brust dieses gewaltigen Mannes wurde die Haupttriebfeder, die er seit Jahrzehnten für gelähmt erachtet, plötzlich wieder
in mächtigste Tätigkeit gesetzt: der unbegrenzte Drang, ja das Bedürfnis,
zu herrschen
, machte sich mit einem Male alle Kräfte dieses reichen Lebens dienstbar und trieb sie an zu heftiger Bewegung.
Cornelius Cethegus Cäsarius war der Abkömmling eines alten und unermeßlich reichen Geschlechtes, dessen Ahnherr den Glanz
seines Hauses als Feldherr und Staatsmann Cäsars in den Bürgerkriegen gegründet – man sagte, er sei ein Sohn des großen Dictators
gewesen. – Unser Cethegus hatte von der Natur die vielseitigsten Anlagen und die gewaltigsten Leidenschaften und durch seine
gewaltigen Reichtümer die Mittel erhalten, jene aufs großartigste zu entfalten, diese aufs großartigstezu befriedigen. Er empfing die sorgfältigste Bildung, die damals einem jungen Adeligen Roms gegeben werden konnte. Er übte
sich bei den ersten Lehrern in den schönen Künsten. Er trieb zu Berytus, zu Alexandrien, zu Athen in den besten Schulen mit
glänzenden Erfolgen das Studium des Rechts, der Geschichte, der Philosophie.
Aber all das befriedigte ihn nicht. Er fühlte den Hauch des Verfalls in aller Kunst und Wissenschaft seiner Zeit. Die Philosophie
insbesondre vermochte nur die letzten Reste des Glaubens in ihm zu zerstören, ohne ihm irgendwelche Befriedigung in positiven
Ergebnissen zu gewähren. Als er von seinen Studien zurückkam, führte ihn sein Vater nach der Sitte der Zeit in den Staatsdienst
ein: rasch stieg der glänzend Begabte von Amt zu Amt. Aber plötzlich sprang er aus. Nachdem er die Staatsgeschäfte zur Genüge
kennengelernt, mochte er nicht länger ein Rad in der großen Maschine des Reiches sein, welches die Freiheit ausschloß und
obendrein dem Barbarenkönig diente.
Da starb sein Vater, und Cethegus warf sich, nun Herr seiner selbst und eines ungeheuern Vermögens geworden, mit der Gewalt,
mit welcher er alles verfolgte, in die wildesten Strudel des
Weitere Kostenlose Bücher