Ein Kampf um Rom
durchgeschnitten.– Und so größer als du, größer als Alexander – o halt, Gedanke, halt ein!«
Und der eisige Cethegus loderte und glühte; mächtig pochten seine Adern an den Schläfen: er drückte die brennende Stirn an
die kalte Marmorbrust Julius Cäsars, der majestätisch auf ihn niederschaute.
Drittes Kapitel
Aber nicht nur für Cethegus wurde dieser Tag von entscheidender Bedeutung, auch für die Verschwörung in den Katakomben, für
Italien und das Reich der Goten. Hatten die Umtriebe der Patrioten, geleitet von mehreren Häuptern, welche über die Mittel,
ja sogar über die Zwecke ihrer Pläne nicht immereinig waren, bisher nur langsame und unsichre Fortschritte gemacht, so ward dies anders von dem Augenblick an, da der weitaus
begabteste Mann dieser Partei, da Cethegus die Führung in die kräftige Hand nahm. Unbedingt hatten sich die bisherigen Häupter
des Bundes,– sogar, wie es schien, Silverius – dem Präfecten untergeordnet, welcher seine Überlegenheit so mächtig bewährt
und das Leben ihrer Sache gerettet hatte. Erst von jetzt an wurde der Geheimbund den Goten wahrhaft gefährlich.
Unermüdlich war Cethegus beschäftigt, die Macht und Sicherheit ihres Reiches auf allen Seiten zu untergraben: mit seiner großen
Kunst, die Menschen zu durchschauen, zu gewinnen und zu beherrschen, wußte er die Zahl bedeutender Mitglieder und die Mittel
der Partei von Tag zu Tag zu vermehren. Aber er wußte auch mit kluger Vorsicht einerseits jeden Verdacht der gotischen Regierung
zu vermeiden, andrerseits jede unzeitige Erhebung der Verschwornen zu verhindern. Denn ein leichtes wär’ es freilich gewesen,
plötzlich an Einem Tage in allen Städten der Halbinsel die Barbaren zu überfallen, die Erhebung zu beginnen und die Byzantiner,
welche längst hierauf lauerten, zur Vollendung des Sieges ins Land zu rufen. Aber damit hätte der Präfect seine geheimen Pläne
nicht ausgeführt. Er hätte nur an die Stelle der gotischen Herrschaft die byzantinische Tyrannei gesetzt. Und wir wissen,
er verfolgte ein ganz anderes Ziel.
Um dies zu erreichen, mußte er sich zuvor in Italien eine Machtstellung schaffen, wie sie kein andrer besaß. Er mußte, wenn
auch nur im stillen, der mächtigste Mann im Lande sein, ehe der Fuß eines Byzantiners es betrat, ehe der erste Gote fiel.
Die Dinge mußten so weit vorbereitet sein, daß die Barbaren von Italien, das hieß von Cethegus, allein, mit möglichst geringer
Nachhilfe von Byzanz, vertrieben würden, so daß nach dem Siege der Kaiser gar nicht umhinkonnte, die Herrschaft über das befreite
Land seinem Befreier, wenn auch zunächst nur als Statthalter, zu überlassen.
Alsdann hatte er Zeit und Anlaß gewonnen, den Nationalstolz der Römer gegen die Herrschaft der »Griechlein«, wie mandie Byzantiner verächtlich nannte, aufzureizen. Denn obwohl seit zweihundert Jahren, seit den Tagen des großen Constantin,
der Glanz der Weltherrschaft von der verwitweten Roma hinweg nach der goldnen Stadt am Hellespont verlegt und das Scepter
von den Söhnen des Romulus auf die Griechen übergegangen schien, obwohl das Ost- und das Westreich zusammen der Barbarenwelt
gegenüber Einen Staat der antiken Kultur bilden sollten, so waren doch auch jetzt noch die Griechen den Römern verhaßt und
verächtlich, wie in den Tagen, da Flamininus das gedemütigte Hellas für eine Freigelassne Roms erklärt hatte: der alte Haß
war jetzt durch Neid vermehrt.
Deshalb war der Mann der Begeisterung und der Hilfe ganz Italiens gewiß, welcher nach Vertreibung der Barbaren auch die Byzantiner
aus dem Lande weisen würde: die Krone von Rom, die Krone des Abendlands war sein sichrer Lohn. Und wenn es gelang, das neugeweckte
Nationalgefühl wieder zum Angriffskrieg über die Alpen zu treiben, wenn Cethegus auf den Trümmern des Frankenreichs zu Aurelianum
und Paris die Herrschaft des römischen Imperators über das Abendland wiederaufgerichtet hatte, dann war der Versuch nicht
mehr zu kühn, auch das losgerissne Ostreich zurückzuzwingen zum Gehorsam unter das ewige Rom und die Weltherrschaft am Strand
des Tibers da fortzuführen, wo sie Trajan und Hadrian gelassen.– Doch um diese fernher leuchtenden Ziele zu erreichen, mußte
jeder nächste Schritt auf dem schwindelsteilen Pfad mit größter Vorsicht geschehen: jedes Straucheln mußte für immer verderben.
Um Italien zu beherrschen, als Kaiser zu beherrschen, mußte Cethegus vor allem Rom
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