Ein Kampf um Rom
genug, dem wunden Feldherrn öffnete. Dann eilt’
ich, als wir ihn auf einer Sänfte Antoninens Pflege zugesandt, an das Grabmal Hadrians, wo, wie es hieß, die Stadt genommen
sei, und fand dich dem Tode nah.«
»Und was hat jetzt Belisar beschlossen?«
»Seine Wunden sind nicht so schwer wie die deine und doch die Heilung langsamer. Er hat den Goten den Waffenstillstand gewährt,
den sie verlangten, ihre vielen Toten zu bestatten.«
Cethegus fuhr auf von den Kissen.
»Er hätte ihn verweigern sollen! Keine unnütze Verzögerung der Entscheidung mehr! ich kenne diese gotischen Stiere; nunhaben sie sich die Hörner stumpfgestürmt: jetzt sind sie müd und mürbe. Jetzt kam die Zeit für einen letzten Schlag, den ich
schon lang ersonnen. Die Hitze draußen in der glühenden Ebne werden ihre großen Leiber schlecht ertragen: schlechter den Hunger:
am schlechtesten den Durst.– Denn der Germane muß saufen, wenn er nicht schnarcht oder prügelt. Nun braucht man nur ihren
vorsichtigen König noch ein wenig einzuschüchtern. Sage Belisar meinen Gruß: und mein Dank für sein Schwert sei mein Rat:
Er solle noch heute den gefürchteten Johannes mit achttausend Mann durch das Picenum gegen Ravenna schicken: die flaminische
Straße ist frei und wird wenig gedeckt sein: denn Witichis hat die Besatzungen aller Festungen hierhergezogen: und leichter
gewinnen wir jetzt Ravenna, als die Barbaren Rom. Sowie aber der König Ravenna, seinen allerletzten Hort, bedroht sieht, wird
er eilen, ihn um jeden Preis zu retten. Er wird sein Heer hinwegziehen von diesen uneinnehmbaren Mauern und wieder der Verfolgte
statt des Verfolgers sein.«
»Cethegus«, sprach Prokop aufspringend, »du bist ein großer Feldherr.«
»Nur nebenbei, Prokopius! geh jetzt und grüße mir den großen Sieger Belisar.«
Fünfzehntes Kapitel
An dem letzten Tage des Waffenstillstands konnte Cethegus bereits wieder auf den Wällen des Grabmals Hadrians erscheinen,
wo ihn seine Legionäre und Isaurier mit lautem Zuruf begrüßten. Sein erster Gang war zu dem Grabmal des Kallistratos; er legte
auf die schwarze Marmorplatte einen Kranz von Lorbeern und von Rosen nieder. Während er von hier aus die Verstärkung der Befestigungen
anordnete, brachte ihm Syphax ein Schreiben von Mataswintha. Es lautete lakonisch genug:
»Mach bald ein Ende. Nicht länger kann ich den Jammer ansehn. Die Bestattung von vierzigtausend Männern meines Volks hat mir
die Brust zerrissen. Die Klagelieder schienen alle mich anzuklagen. Währt das noch länger, so erlieg’ ich. Der Hungerwütet furchtbar in dem Lager. Ihre letzte Hoffnung ist eine große Zufuhr von Getreide und Vieh, die aus Südgallien unter Segel
ist. An den nächsten Kalenden wird sie auf der Höhe von Portus erwartet. Handle danach – aber mach rasch ein Ende.«
»Triumph«, sprach der Präfect, »die Belagerung ist aus. Unsre kleine Flotte lag bisher fast müßig zu Populonium. Jetzt soll
sie Arbeit finden. Diese Königin ist die Erinnys der Barbaren.«
Und er ging selbst zu Belisar, der ihn mit edler Großheit empfing.–
In derselben Nacht, der letzten der Waffenruhe, zog Johannes zum pincianischen Tore hinaus, dann links nach der flaminischen
Straße schwenkend. Ravenna war sein Ziel. Und eilende Boten flogen zur See mit raschen Segeln nach Populonium, wo sich ein
kleines römisches Geschwader gesammelt hatte. Der Kampf um die Stadt ruhte, trotz Ablauf des Waffenstillstands, fast ganz.
Eine Woche darauf etwa, machte der König, der sein Schmerzenslager zum ersten Mal verließ, in Begleitung seiner Freunde den
ersten Gang durch die Zelte. Drei von den sieben vormals menschenwimmelnden Lagern waren völlig verödet und aufgegeben: auch
die übrigen vier waren nur noch spärlich bevölkert. Todmüde, ohne Klage, aber auch ohne Hoffnung, lagen die abgemagerten Gestalten,
von Hunger und Fieber verzehrt, vor ihren Zelten. Kein Zuruf, kein Gruß erfreute den wackern König auf seinem schmerzensreichen
Gang: kaum daß sie die müden Augen aufschlugen bei dem Schall der nahenden Schritte. Aus dem Innern der Zelte drang das laute
Stöhnen der Kranken, der Sterbenden, die den Wunden, dem Mangel, den Seuchen erlagen.
Kaum fand man die hinlängliche Zahl von Gesunden, die nötigsten Posten zu beziehen. Die Wachen schleppten die Speere hinter
sich her, zu matt, sie aufrecht oder auf der Schulter zu tragen. Die Heerführer kamen an die Schanzen vor dem aurelischen
Tor;
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