Ein Kampf um Rom
im Wallgraben lag ein junger Schütz und kaute an dem bittern Gras.
Hildebad rief ihm zu: »Beim Hammer! Gunthamund, wasist das? deine Sehne ist ja gesprungen, was ziehst du keine andre auf?«
»Kann nicht, Herr! die Sehne sprang gestern bei meinem letzten Schuß. Und ich und die drei Bursche neben mir, wir haben die
Kraft nicht, eine neue aufzuziehen.«
Hildebad gab ihm einen Trunk aus seiner Kürbisflasche: »Hast du auf einen Römer geschossen?«
»O nein, Herr«, sagte der Mann, »eine Ratte nagte dort an der Leiche. Ich traf sie glücklich, und wir teilten sie zu viert.«
»Iffaswinth, wo ist dein Oheim Iffamer?« fragte der König.
»Tot, Herr.«
»Er fiel hinter dir, als er dich hinwegtrug. Vor dem verfluchten Marmorgrab.«
»Und dein Vater Iffamuth?«
»Auch tot. Er vertrug’s nicht mehr, das giftige Wasser aus den Pfützen. Der Durst, König, brennt noch heißer als der Hunger.
Und es will ja nicht regnen aus diesem bleiernen Himmel.«
»Ihr seid alle aus dem Athesistal?«
»Ja, Herr König, vom Iffingerberg. O welch köstlich Quellwasser dort daheim!«
Teja sah in einiger Entfernung einen andern Krieger aus seiner Sturmhaube trinken. Seine Züge verfinsterten sich noch mehr.
»He du, Arulf!« rief er ihm zu, »du scheinst nicht Durst zu leiden?«
»Nein, ich trinke oft«, sprach der Mann. »Was trinkst du?«
»Das Blut von den Wunden der Frischgefallnen. Anfangs ekelt’s sehr: aber man gewöhnt’s in der Verzweiflung.«
Schaudernd schritt Witichis weiter.
»Schick all meinen Wein ins Lager, Hildebad. Die Wachen sollen ihn teilen.«
»All deinen Wein? O König, mein Schenkamt ist gar leicht geworden. Du hast noch anderthalb Krüge. Und Hildebrand, dein Arzt,
sprach, du sollst dich stärken.«
»Und wer stärkt diese, Hildebad? Die Not macht sie zu wilden Tieren!«
»Komm mit nach Hause«, mahnte Totila, des Königs Mantel ergreifend. »Hier ist nicht gut sein.«
Im Zelt des Königs angelangt, setzten sich die Freunde schweigend um den schönen Marmortisch, der auf goldnen Gefäßen steinhartes
verschimmeltes Brot aufwies und wenige Stücke Fleisch.
»Es war das letzte Pferd aus den königlichen Ställen«, sagte Hildebad,– »bis auf Boreas.«
»Boreas wird nicht geschlachtet! – mein Weib, mein Kind sind auf seinem Rücken gesessen.«
Und er stützte das müde Haupt auf die beiden Hände: eine neue schwere Pause trat ein. »Freunde«, hob er endlich an, »das geht
nicht länger also. Unser Volk verdirbt vor diesen Mauern. Mein Entschluß ist schwer und schmerzlich gereift –«
»Sprich’s noch nicht aus, o König!« rief Hildebad. »In wenig Tagen trift Graf Odoswinth von Cremona ein mit der Flotte: und
wir schwelgen in allem Guten.«
»Er ist noch nicht da!« sprach Teja.
»Und unser Verlust an Menschen, so schwer er ist«, ermutigte Totila, »wird er nicht durch frische Mannschaft ersetzt, wenn
Graf Ulithis von Urbinum eintrift, mit den Besatzungen, die der König aus den Vesten von Ravenna bis Rom weggezogen hat, unsre
leeren Zelte zu füllen?«
»Auch Ulithis ist noch nicht da«, sprach Teja. »Er soll noch in Picenum stehen. Und kommt er glücklich an, so wird der Mangel
im Lager noch größer.«
»Doch auch die Römerstadt muß fasten!« meinte Hildebad, das harte Brot mit der Faust auf dem Steintisch zerschlagend. »Laß
sehn, wer’s länger aushält!«
»Oft hab’ ich’s überdacht in schweren Tagen und schlummerlosen Nächten«, fuhr der König langsam fort. »Warum? warum das alles
so kommen mußte? Nach bestem Gewissen hab’ ich immer wieder Recht und Unrecht abgewogen, zwischen unsern Feinden und uns:
und ich kann’s nicht anders finden, als daß Recht und Treue auf unsrer Seite stehen. Und wahrlich, an Kraft und Mut haben
wir’s nicht fehlen lassen.«
»Du am wenigsten«, sagte Totila.
»Und an keinem schwersten Opfer!« seufzte der König. »Und wenn nun doch, wie wir alle sagen, ein Gott im Himmel waltet, gerecht
und gut und allgewaltig, warum läßt er all dies ungeheure, unverdiente Elend zu? Warum müssen wir erliegen vor Byzanz?«
»Wir dürfen aber nicht erliegen«, schrie Hildebad. »Ich habe nie viel gegrübelt über unsern Herrgott. Aber wenn er das geschehen
ließe, müßte man Sturm laufen gegen den Himmel und ihm seinen Thron mit Keulen zerschlagen.«
»Lästre nicht, mein Bruder!« sprach Totila. »Und du, mein edler König, Mut und Vertrauen. Ja, es waltet ein gerechter Gott
dort über den Sternen.
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