Ein Kampf um Rom
Drum muß zuletzt die gute Sache siegen. Mut, mein Witichis, und Hoffnung, bis ans Ende.«
Aber der Tiefgebeugte schüttelte das Haupt.
»Ich gestehe es euch, ich habe aus diesem Irrsal, aus den schrecklichen Zweifeln an Gottes Gerechtigkeit, nur
einen
Ausweg gefunden. Es kann nicht sein, daß wir all dies schuldlos leiden. Und da unsres Volkes Sache zweifellos gerecht, so
muß verborgne Schuld an mir, an eurem König haften. Wiederholt, erzählen unsre Lieder aus der Heidenzeit, hat sich ein König
für sein Volk selbst den Göttern geopfert, wenn Unsieg, Seuche, Mißwachs jahrelang den Stamm verfolgte. Er hat die verborgne
Schuld auf sich genommen, die auf den Volksgenossen zu lasten schien, und sie durch Tod gebüßt, oder indem er ohne die Krone
ins Elend ging, ein friedloser Landflüchtiger.– Laßt mich die Krone abtun von diesem Haupt ohne Glück noch Stern. Wählt einen
andern, dem Gott nicht zürnt: wählt Totila, oder –«
»Das Wundfieber faselt noch aus dir!« unterbrach ihn der alte Waffenmeister. »Du mit Schuld beladen! du, der Treuste von uns
allen! Nein, ich will’s euch sagen, ihr Kinder allzujunger Tage, die ihr der Väter alte Kraft mit der Väter altem Glauben
verloren habt, und nun keinen Trost wißt für eure Herzen. Mich erbarmt euer Reden ohne Zuversicht.« – Und seine grauen Augen
leuchteten in seltnem Glanze über die Freunde hin.
»Alles, was hier auf Erden erfreut und schmerzt, ist kaum der Freude noch des Schmerzes wert. Nur auf Eines kommt es hierunten an: ein treuer Mann gewesen sein, kein Neiding, und den Schlachttod sterben, nicht den Strohtod. Den treuen Helden aber
tragen die Walküren aus dem blutigen Feld auf roten Wolken hinauf in Odhins Saal, wo die Einheriar mit vollen Bechern ihn
begrüßen. Dann reitet er alltäglich mit ihnen hinaus zu Jagd und Waffenspiel beim Morgenlicht und wieder herein zu Trunk und
Skaldensang in goldner Halle beim Abendlicht. Und schöne Schildjungfrauen kosen mit den Jungen: und weise Vorzeitrunen raunen
wir Alten mit den alten Helden der Vorzeit. Und ich werde sie alle wiederfinden, die starken Gesellen meiner Jugend, den kühnen
Winithar und Herrn Waltharis von Aquitanien und Guntharis, den Burgunden. Und schauen werd’ ich auch ihn, dessen Anblick ich
lange begehrt: Herrn Beowulf, den Geaten, und aus grauen Urtagen den Cherusken, der zuerst die Römer schlug, von dem noch
die Sänger der Sachsen singen und sagen. Und wieder trag’ ich Schild und Speer meinem Herrn, dem König mit den Adleraugen.
Und so leben wir fort in alle Ewigkeit in Licht und heller Freude, vergessen der Erde hier unten und alles ihres Wehs.«
»Ein schön Gedicht, alter Heide«, lächelte Totila. »Wenn uns aber das nicht mehr tröstet für wirkliches, herznagendes Leid?
Sprich du doch auch, Teja, du finstrer Gast. Was ist dein Gedanke bei diesen unsern Leiden? Nie fehlt uns dein Schwert: was
versagst du dein Wort? Was schweigt dein tröstender Harfenschlag, du liederkundiger Sänger?«
»Mein Wort«, sagte Teja, aufstehend, »mein Wort und Gedanke wäre euch vielleicht schwerer zu tragen als all dies Leid. Laß
mich noch schweigen, mein sonnenheller Totila. Vielleicht kommt noch der Tag, da ich dir Antwort gebe. Vielleicht auch zur
Harfe spiele, wenn dann noch eine Saite daran hält.«
Und er schritt aus dem Zelte. Denn draußen in dem Lager hatte sich ein wirrer, rätselhafter Lärm von rufenden, fragenden Stimmen
erhoben. Die Freunde sahn ihm schweigend nach.
»Ich weiß wohl, was er denkt«, sagte der alte Hildebrand endlich. »Denn ich kenne ihn vom Knaben auf: Er ist nicht wie andre.
Auch im Nordland denken manche so, die nicht an Thor und Odhin glauben, sondern nur an die Not und ihre eigneKraft und Stärke. Es ist fast zu schwer für ein Menschenherz. Und glücklich – glücklich macht es nicht, wie er zu denken.
Mich wundert, daß er singt und Harfe schlägt dabei.«
Da riß Teja, wieder eintretend, die Zeltvorhänge auf: sein Antlitz war noch bleicher als zuvor: seine dunkeln Augen blitzten:
aber seine Stimme war ruhig wie sonst, da er sprach:
»Brich das Lager ab, König Witichis. Unsere Schiffe sind bei Ostia in der Feinde Hand gefallen. Sie haben Graf Odoswinths
Kopf ins Lager geschickt. Und sie lassen auf den Wällen Roms, vor den Augen unsrer Wachen, von den gefangnen Goten die erbeuteten
Rinder schlachten. Große Verstärkungen aus Byzanz unter Valerian und Euthalius: Hunnen, Sclavenen
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