Ein Kampf um Rom
und Anten, hat eine segelreiche
Flotte aus Byzanz in den Tiber geführt. Denn der blutige Johannes hat das Picenum durchzogen –«
»Und Graf Ulithis?«
»Er hat Ulithis geschlagen und getötet, Ancona und Ariminum genommen. Und –«
»Ist das noch nicht alles?« rief der König.
»Nein, Witichis! Eile tut not! Er bedroht Ravenna: er steht nur noch wenige Meilen von der Stadt.«
Sechzehntes Kapitel
Am Tage nach dem Eintreffen dieser für die Goten so verhängnisvollen Nachrichten, hatte Witichis die Belagerung Roms aufgegeben
und sein tiefentmutigtes Heer aus den vier noch übrigen Lagern herausgezogen. Ein volles Jahr und neun Tage hatte die Einschließung
gewährt. So viel Mut und Kraft, so viele Anstrengungen und Opfer waren vergeblich gewesen.
Schweigend zogen die Goten an den stolzen Wällen vorüber, an denen ihr Glück und ihre Macht zerschellt waren. Schweigend trugen
sie die höhnenden Worte, welche Römer und »Romäer« (Byzantiner) ihnen von den sichern Zinnen herab zuriefen. Ihr Zorn und
ihre Trauer waren zu groß, um durch solchen Spott getroffen zu werden. Aber als Belisars Reiterei, aus dem pincianischen Tore
brechend, die Abziehenden verfolgenwollte, wurde sie grimmig zurückgewiesen. Denn Graf Teja führte die gotische Nachhut.
So zog das Heer von Rom auf der flaminischen Straße durch Picenum in raschen Märschen (obwohl den von den Feinden besetzten
Plätzen Narnia, Spoletium und Perusium ausgewichen werden mußte), nach Ravenna, wo Witichis zur rechten Zeit eintraf, die
gefährliche Stimmung der Bevölkerung, welche auf die Kunde von dem Unglück der Barbaren schon mit dem drohenden Johannes in
geheime Verhandlungen getreten war, zu unterdrücken. Johannes zog sich bei der Annäherung der Goten in seine letzte wichtige
Eroberung Ariminum zurück. In Ancona lag Konon, der Nauarch Belisars, mit den thrakischen Speerträgern und mit Kriegsschiffen.
Der König führte aber keineswegs sein ganzes, von der Belagerung Roms aufgebrochnes Heer nach Ravenna, sondern hatte unterweges
viele Mannschaften in Festungen verteilt. Eine Tausendschaft ließ er unter Gibimer in Clusium in Tuscien, eine andre in Urbs
Vetus unter Albila, eine halbe in Tudertum unter Wulfgis: in Auximum vier Tausendschaften unter Graf Wisand, dem tapfern Bandalarius:
in Urbinum zwei unter Morra: in Caesena und Monsferetrus je eine halbe. Hildebrand entsandte er nach Verona, Totila nach Tarvisium
und Teja nach Ticinum, da auch der Nordosten der Halbinsel durch byzantinische, von Istrien aus drohende Truppen gefährdet
wurde.
Er tat dies übrigens noch aus andern Gründen. Einmal, um Belisar auf dem Wege nach Ravenna aufzuhalten. Dann, um im Fall einer
Einschließung nicht wieder so bald durch die große Anzahl des Heeres dem Mangel ausgesetzt zu sein. Und endlich, um für den
nämlichen Fall die Belagerer auch vom Rücken, und zwar von mehreren Seiten her, beunruhigen zu können.
Sein Plan war zunächst, die seinem Hauptstützpunkt Ravenna drohende Gefahr abzuwenden, und sich mit seinen zerrütteten Streitkräften
auf die Verteidigung zu beschränken, bis fremde Hilfstruppen, langobardische und fränkische, die er erwartete, ihn in den
Stand setzen würden, wieder das offne Feld zu halten. Aber die Hoffnung, Belisar auf seinem Wege nach Ravenna durch diese
gotischen Burgen hinzuhalten, erfülltesich nicht. Er begnügte sich, sie durch beobachtende Truppen einzuschließen, und zog ohne weiteres gegen die Hauptstadt und
den letzten bedeutenden Waffenplatz der Goten.
»Habe ich das Herz zum Tode getroffen«, sagte er, »werden sich die geballten Fäuste von selbst öffnen.«
Und so dehnten sich alsbald um die Königsstadt Theoderichs in weitgestrecktem Bogen die Zelte der Byzantiner, an allen drei
Landseiten, von der Hafenstadt Classis an bis zu den Kanälen und Zweigarmen des Padus, welche im Westen besonders die Verteidigung
der Festungslinien bildeten. Zwar hatte die alte, vornehme Stadt damals schon viel verloren von dem Schimmer, in welchem sie
seit zwei Jahrhunderten fast strahlte als Residenz der Imperatoren: und auch das letzte Abendrot, welches die glorreiche Regierung
Theoderichs über sie gebreitet, war seit dem Ausbruch des Krieges verschwunden. Aber gleichwohl. Welch andern Eindruck muß
damals die immer noch volkreiche, dem heutigen Venedig gleichende Wasserstadt gemacht haben als heute, wo es den Wandrer aus
den ausgestorbnen Straßen, den leeren
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