Ein Kampf um Rom
Präfecten flog über sein
Antlitz, das heute heller als seit langen Monden glänzte, ein dunkler Schatten. Doch bezwang er sich und sprach:
»Du hier, Präfect von Rom? Anders hat dieser Kampf geendet, als wir meinten! Jedoch, du kannst auch damit zufrieden sein.
Wenigstens kein Griechenkaiser, kein Justinianus wird dein Rom beherrschen.«
»Und soll es nicht, solange ich lebe.«
»Ich komme, König der Goten«, fiel Bessas ein, »dir den Vertrag mit Belisar zur Unterschrift vorzulegen.«
»Ich hab’ ihn schon unterschrieben.«
»Es ist die für meinen Herrn bestimmte Doppelschrift.«
»So gib«, sprach Witichis und wollte das Pergament aus des Byzantiners Hand nehmen.
Da trat Herzog Guntharis mit den Dienern eilfertig ins Gemach:
»Witichis«, rief er, »der Königsschmuck ist verschwunden.«
»Was ist das?« fragte Witichis. »Hildebad allein führte die Schlüssel davon.«
»Die ganze Goldtruhe, auch noch andre Truhen sind fort. In der leeren Nische, da sie sonst standen, lag dieser Streif Pergament.
Es sind die Schriftzüge von Hildebads Schreiber.«
Der König nahm und las.
»›Krone, Helm und Schwert, Purpur und Schild Theoderichs sind in meinem Gewahrsam. Wenn Belisar sie will, soll er sie von
mir holen.‹ Die Rune H – für Hildebad.«
»Man muß ihn verfolgen«, sagte Cethegus finster, »bis er sich fügt.«
Da eilten Johannes und Demetrius herein.
»Eile dich, König Witichis«, drängten sie. »Hörst du die Tubatöne? Belisar hat schon die Porta des Stilicho erreicht.«
»So laßt uns gehn«, sprach Witichis, ließ sich von den Dienern den Purpurmantel, welchen sie statt des verschwundenen mitgebracht,
um die Schultern werfen und drückte einen goldnen Reif auf das Haupt.
Statt des Schwertes reichte man ihm ein Scepter. Und so wandte er sich zur Tür.
»Du hast nicht unterschrieben, Herr«, mahnte Bessas.
»So gib«, und er nahm die Schrift jetzt aus der Hand des Byzantiners.
»Die Urkunde ist sehr lang«, sagte er, hineinblickend, und hob an zu lesen.
»Eile, König«, mahnte Johannes.
»Zum Lesen ist nicht mehr Zeit«, sagte Cethegus gleichgültig, und reichte ihm die Schilffeder von dem Tisch.
»Dann auch nicht mehr zum Schreiben«, antwortete der König. »Du weißt: ich war ein König nach Bauernart, wie die Leute sagten.
Bauern unterschreiben keine Zeile, ehe sie genau gelesen: gehen wir.«
Und lächelnd gab er die Urkunde an den Präfecten und schritt hinaus. Die Byzantiner und alle Anwesenden folgten. Cethegus
drückte das Pergament zusammen:
»Warte nur«, flüsterte er grimmig, »du sollst doch noch unterschreiben.«
Langsam folgte er den andern. Die Halle vor dem Gemach des Königs war bereits leer. Der Präfect schritt hinaus auf den gewölbten
Bogengang, der im Viereck den ersten Stock des Palastes umgab, und dessen byzantinisch-romanische Rundbogen den freien Blick
in den weiten Hofraum gewährten. Derweite Hofraum war von Bewaffneten dicht gefüllt. An allen vier Toren standen die Lanzenträger Belisars. Cethegus lehnte hinter
einem Bogenpfeiler und sprach, dem Gang der Ereignisse folgend, mit sich selbst:
»Nun, Byzantiner genug, um ein kleines Heer gefangenzunehmen! Freund Prokop ist vorsichtig – Da! – Witichis erscheint im Portal – Seine Goten sind noch weit hinter ihm auf der Treppe. Des Königs Pferd wird vorgeführt.– Bessas hält dem König den Bügel.
– Witichis tritt heran, er hebt den Fuß.– Jetzt ein Trompetenstoß – Die Treppentüre des Palastes fällt zu und schließt die Goten in den Treppenbau. Auf dem Dache reißt Prokop das Gotenbanner
nieder.– Johannes faßt seinen rechten Arm, brav Johannes.– Der König ruft: ›Verrat, Verrat!‹ Er wehrt sich mächtig.– Aber
der lange Mantel hemmt ihn.– Da, da, er strauchelt.– Er stürzt zu Boden.– Da liegt das Reich der Goten.« – – –
»Da liegt das Reich der Goten!« Mit diesen Worten begann auch Prokop die Sätze, welche er an diesem Abend in sein Tagebuch
eintrug:
»Ein wichtig Stück Weltgeschichte hab’ ich heut bei Tage machen helfen und zeichne ich nun nachts hier ein. Als ich heute
das römische Heer seinen Einzug halten sah in die Tore und Königsburg von Ravenna, kam mir abermals der Gedanke: nicht Tugend
oder Zahl oder Verdienst entscheidet den Erfolg in der Geschichte. Es gibt eine höhere Gewalt, die unentrinnbare Notwendigkeit.
An Zahl und an Heldentum waren uns die Goten überlegen: und sie haben es nicht fehlen
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