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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Belisar und seine Heerführer zur Verpflegung des Heeres ausschreiben mußten – denn
     von Byzanz kam weder Geld noch Vorrat   –, verlegten sich jene Finanzkünstler darauf, mit besonderen Mitteln den reicheren Bürgern noch besondere Zahlungen abzunötigen.
     Sie stellten überall Revisionen der Steuerlisten an, entdeckten Rückstände aus der Zeit der Gotenkönige oder gar noch aus
     den Tagen Odovakars und ließen den Bürgern nur die Wahl zwischen ungeheuren Abfindungssummen oder ungeheuren Prozessen mit
     dem Fiscus Justinians, der fast noch nie einen Prozeß verloren. Waren aber die Steuerlisten unvollständig oder zerstört –
     was häufig genug in diesen Jahren der Kämpfe geschehen   –, so rekonstruierten die Rechnungsführer sie nach eigner Willkür.
    Kurz, alle Finanzkünste, welche die Provinzen des Ostreichs zugrunde richteten, wurden seit Belisars Landung in ganz Italien
     geübt, so weit die kaiserlichen Waffen reichten. Ohne Rücksicht auf die Not des Krieges spannten die Steuerexekutoren dem
     Bauer das pflügende Rind aus dem Pflug, nahmen dem Handwerker das Gerät aus der Werkstatt, dem Kaufmann die Waren aus der
     Halle. In manchen Städten erhob sich das Volk, die Steuerlisten verbrennend, in hellem Aufruhr gegen seine Peiniger, die freilich
     alsbald in größeren Scharen mit strengerer Härte wiederkehrten. Mit afrikanischen Bluthunden jagten die mauretanischen Reiter
     Justinians die verzweifelnden Bauernaus ihren Waldverstecken, wohin sie sich geflüchtet, den Steuererhebern zu entrinnen.
    Cethegus aber, der allein in der Stellung gewesen wäre, Abhilfe zu versuchen, sah dem allen zu mit berechnender Ruhe. Ihm
     war es erwünscht, daß Italien schon vor Beendung des Krieges die Tyrannei von Byzanz fühlbar kennenlernte. Desto leichter
     würde er es mit fortreißen können, sich zu erheben mit eigner Kraft und nach den Goten auch die Byzantiner abzuschütteln.
     Mit Achselzucken hörte er die Klagen der Städtedeputationen an, die seine Vermittlung anriefen, und gab die lakonische Antwort:
    »Das ist byzantinisch Regiment – ihr müßt euch dran gewöhnen.«
    »Nein«, hatten die Abgeordneten von Rom gerufen, »das Unerträgliche gewöhnt man nicht. Und der Kaiser könnte ein Unerhörtes
     erleben, das er sich nicht träumen läßt.«
    Dies Unerhörte konnte sich Cethegus nur als die Erhebung Italiens zur Selbständigkeit denken: er kannte kein Drittes. Aber
     er irrte. So klein er von seiner Zeit und seinen Landsleuten dachte,– er hatte geglaubt, sie durch sein Beispiel gehoben zu
     haben. Jedoch den Gedanken: »Freiheit und Erneuerung Italiens«, seinem Geist so geläufig, ja, so notwendig wie der Brust das
     Atmen – dies Geschlecht vermochte ihn nicht mehr zu fassen. Nur zwischen verschiednen Herren schwanken und wählen konnten
     sie. Und da das Joch von Byzanz sich als unertragbar erwies – fing man an, wieder der milden Gotenherrschaft zu gedenken:
     eine Möglichkeit, die dem Präfecten gar nicht in die Gedanken geriet. Und doch kam es so.
    Vor Tarvisium, Ticinum und Verona geschah schon jetzt im Kleinen, auf dem flachen Lande, was sich im Großen in den Städten
     wie Neapolis und Rom vorbereitete: die italische Landbevölkerung erhob sich gegen die byzantinischen Beamten und Soldaten,
     wie die Bewohner jener drei Städte in jeder Weise die gotischen Besatzungen unterstützten. So wurden die Belagerer von Tarvisium
     genötigt, ihre Angriffe aufzugeben und sich auf Verteidigung ihres Lagers zu beschränken, nachdem Totila in einem Ausfall,
     unterstützt von bewaffneten Colonen des Flachlands,ihre Werke zum großen Teil zerstört hatte. Aus der Landschaft zog er nun Vorräte und Streiter in seine Veste.
    Mit froherem Herzen als seit sehr langer Zeit hielt Totila seinen Abendrundgang auf den Wällen von Tarvisium. Die Sonne, welche
     hinter den venetischen Bergen niedersank, vergoldete die Ebne vor ihm, und rote Wolken flogen freundlich an dem Himmel hin.
     Mit gerührtem Herzen sah er, wie die Bauern von der Umgegend von Tarvisium durch das geöffnete Tor strömten und seinen ausgehungerten
     Goten Brot, Fleisch, Käse, Wein zutrugen, während diese ins Freie eilten, und nun Germanen und Italier, mit verschlungnen
     Armen, die jüngst gemeinsam über die verhaßten Feinde erfochtnen Vorteile gemeinsam feierten.
    »Und sollte es denn unmöglich sein«, sagte der Sieger zu sich selbst, »diese Eintracht zu erhalten, zu erweitern über das
     ganze Land? Müssen denn

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