Ein Kampf um Rom
Männlichkeit vertieft worden. Aber jener schimmerhelle
Grundzug seines Wesens war geblieben und warf den Zauber der Anmut, der herzgewinnenden Liebenswürdigkeit über all sein Tun.
Getragen von der eigenen Idealität, wandte er sich vertrauend überall an das Ideale in den Menschen. Und unwiderstehlich fanden
die meisten, fanden alle nicht von überlegenen feindseligen Dämonen beherrschten Menschen seine zuversichtlicheBerufung auf das Edle und Schöne. Wie das Licht erhellt, was es berührt, so schien die Hochherzigkeit dieses lichten Königs
sich seinem Hof, seiner Umgebung mitzuteilen und auch die Gegner versöhnend zu ergreifen.
»Er ist unwiderstehlich wie der Sonnengott«, riefen die Italier.
Näher betrachtet lag das Geheimnis seiner großen und raschen Erfolge in der genialen Kunst, mit welcher er, zugleich dem innersten
Impuls seiner Natur folgend, die neu vorgefundene Verbitterung der Italier über den Druck der Byzantiner überall zum Umschlag,
zur Sympathie mit seiner, mit der gotischen Milde zu steigern und umzulenken verstand. Wir sahen, wie diese Stimmung das Landvolk,
die reichen Kaufleute, die Handwerker in den Städten, die Colonen und kleinen und mittleren Bürger, also weitaus die Mehrzahl
der Bevölkerung, bereits ergriffen hatte. Die Persönlichkeit des jungen Gotenkönigs zog sie dann vollends von den byzantinischen
Drängern ab, von welchen auch das Waffenglück gewichen schien, seit die Goten mit dem helljauchzenden Schlachtruf: »Totila!«
in den Kampf eilten.
Freilich blieb eine kleine Minderzahl unbeugsam: die rechtgläubige Kirche, die keinen Frieden mit den Ketzern kannte, starre
Republikaner, und der Kern der Katakombenverschwörung: die stolzen römischen Adelsgeschlechter, die Freunde des Präfecten.
Aber diese kleine Zahl kam bei dem Abfall der Masse des Volkes nicht in Betracht.
Die erste Tat des neuen Königs war der Erlaß eines Manifestes an die Goten und an die Italier. Jenen wurde genau dargetan,
wie der Fall Ravennas und der Untergang des Königs Witichis nur das Werk überlegener Lüge, nicht überlegener Kraft gewesen:
und eingeschärft wurde ihnen die Pflicht der Rache, welche bereits drei Siege eröffnet hätten. Die Italier aber wurden aufgerufen,
nun, nachdem sie erfahren, welchen Tausch sie durch den Abfall zu Byzanz gemacht, zu ihren alten Freunden zurückzukehren.
Dafür verhieß der König nicht nur volle Amnestie, auch Gleichstellung mit den Goten, Aufhebung aller bisherigen gotischen
Vorrechte, namentlich Bildung eines eignen italischen Heeres und, was durch den Gegensatz besonderswirkte: Befreiung alles italischen Bodens und Vermögens von jeder Steuer bis zur Beendung des Krieges.
Eine Maßregel höchster Klugheit war es ferner, daß, da der Adel byzantinisch, die Kolonatbevölkerung gotisch gesinnt war,
jeder römische Edle, der sich nicht binnen drei Wochen den Goten stellte und unterwarf, seines Grundeigentums zugunsten seiner
bisherigen Colonen verlustig erklärt wurde. Und endlich setzte der König auf jede Mischehe zwischen Goten und Römern eine
hohe, aus dem Königsschatz zu zahlende Prämie und versprach Ansiedlung des Paares auf konfisziertem Grundbesitz römischer
Senatoren.
»Italia«, schloß das Manifest, »blutend aus den Wunden, welche die Tyrannei von Byzanz ihr geschlagen, soll sich erheben unter
meinem Schilde. Helft uns, Söhne Italias, unsere Brüder, von diesem heiligen Boden die gemeinsamen Feinde, die Hunnen und
Skythen Justinians, vertreiben. Dann soll im neuen Reich der Italier und Goten, gezeugt aus italischer Schönheit und Bildung,
aus gotischer Kraft und Treue, ein neues Volk erstehen, desgleichen an Adel und Herrlichkeit noch nie die Welt geschaut.«
Als Cethegus, der Präfect, auf seinem Feldbett zu Ravenna, wo ihn die Wunde fesselte, morgens vom Schlaf erwachend, die Nachricht
erfuhr von Totilas Erhebung, sprang er mit einer Verwünschung aus den Decken.
»Herr«, warnte ihn der griechische Arzt, »du mußt dich schonen und –«
»Hörst du nicht? Totila trägt die Gotenkrone. Jetzt ist nicht Zeit, sich zu schonen. Meinen Helm, Syphax.«
Und er riß Lucius Licinius, der die Botschaft gebracht, das Manifest aus der Hand und las begierig.
»Ist das nicht lächerlich? Nicht Wahnsinn?« frug dieser.
»Wahnsinn ist es, wenn die Römer noch Römer sind. Aber sind sie’s noch? Sind sie es nicht mehr:– dann schaffen wir – und nicht
der Barbarenfürst – ein
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