Ein Kampf um Rom
ihrer Hand zugleich die höchste Stellung im Reich, vielleicht die
Krone selbst, würde vergeben werden, machte sie eben auch nicht bescheidener: und ihre tiefste, mächtigste Empfindung war
jetzt nicht mehr der Wunsch, Mann zu sein,sondern die Überzeugung, daß sie, das Weib, allen Aufgaben des Lebens und des Regierens so gut wie der begabteste Mann, besser
als die meisten Männer, gewachsen, daß sie berufen sei, das allgemeine Vorurteil von der geistigen Unebenbürtigkeit ihres
Geschlechts glänzend zu widerlegen.
Die Ehe des kalten Weibes mit Eutharich, einem Amaler aus anderer Linie, einem Mann von hohen Anlagen des Geistes und reichem
Gemüt, war kurz –: Eutharich erlag nach wenigen Jahren einem tiefen Leiden – und wenig glücklich. Nur mit Widerstreben hatte
sie sich ihrem Gatten gebeugt. Als Witwe atmete sie stolz auf. Sie brannte vor Ehrgeiz, dereinst als Vormünderin ihres Knaben,
als Regentin jene ihre Lieblingsidee zu bewähren: sie wollte so regieren, daß die stolzesten Männer ihre Überlegenheit sollten
einräumen müssen.
Wir haben gesehen, wie die Erwartung der Herrschaft diese kalte Seele sogar den Tod ihres großen Vaters ziemlich ruhig hatte
ertragen lassen. Sie übernahm das Regiment mit höchstem Eifer, mit unermüdlicher Tätigkeit. Sie wollte alles selbst, alles
allein tun. Sie schob ungeduldig den greisen Cassiodor zur Seite, der ihrem Geist nicht rasch und kräftig genug Schritt hielt.
Keines Mannes Rat und Hilfe wollte sie dulden. Eifersüchtig wachte sie über ihre Alleinherrlichkeit. Und nur Einem ihrer Beamten
lieh sie gern und häufig das Ohr; demjenigen, der ihr oft und laut die männliche Selbständigkeit ihres Geistes pries, um noch
öfter dieselbe still zu bewundern, der den Gedanken, sie beherrschen zu wollen, gar nie wagen zu können schien: sie traute
nur Cethegus.
Denn dieser zeigte ja nur den Einen Ehrgeiz, alle Gedanken und Pläne der Königin mit eifriger Sorge durchzuführen. Nie trat
er, wie Cassiodor oder gar die Häupter der gotischen Partei, ihren Lieblingsbestrebungen entgegen; er unterstützte sie darin:
er half ihr, sich mit Römern und Griechen umgeben, den jungen König möglichst von der Teilnahme am Regiment ausschließen,
die alten gotischen Freunde ihres Vaters, die, im Bewußtsein ihrer Verdienste und nach alter Gewohnheit, sich manches freie
und derbe Wort des Tadels erlaubten, als rohe Barbaren allmählich vom Hof entfernen, die Gelder, welche fürKriegsschiffe, Rosse, Ausrüstung der gotischen Heere bestimmt waren, für Wissenschaften und Künste oder auch für die Verschönerung,
Erhaltung und Sicherung Roms verwenden – kurz, er war ihr behilflich in allem, was sie ihrem Volk entfremden, ihre Regierung
verhaßt und ihr Reich wehrlos machen konnte. Und hatte er selbst einen Plan, immer wußte er seine Verhandlungen mit der Fürstin
so zu wenden, daß sich diese für die Urheberin ansehen mußte und ihn zu dem Vollzug seiner geheimsten Wünsche als
ihrer
Aufträge befehligte.
Fünftes Kapitel
Begreiflicherweise bedurfte es, um solchen Einfluß zu gewinnen und zu pflegen, häufigeren Aufenthalts am Hof, längerer Abwesenheit
von Rom, als seine dortigen Interessen vertrugen. Deshalb strebte er danach, in die Nähe der Königin Persönlichkeiten zu bringen,
welche ihm diese Mühe zum Teil ersparen könnten, welche ihn immer gut unterrichten und warm vertreten sollten.
Die Frauen von mehreren gotischen Edeln, welche grollend Ravenna verließen, mußten in der Umgebung Amalaswinthens ersetzt
werden, und Cethegus trug sich mit dem Gedanken, bei dieser Gelegenheit Rusticiana, die Tochter des Symmachus, die Witwe des
Boëthius, an den Hof zu bringen. Die Aufgabe war nicht leicht. Denn die Familie dieser als Hochverräter hingerichteten Männer
war in Ungnade aus der Königsstadt verbannt. Vor allem mußte daher die Königin umgestimmt werden für sie. Dies freilich gelang
alsbald, indem die Großmut der edeln Frau gegen das so tief gefallne Haus wachgerufen wurde.
Dazu kam, daß sie an die niemals vollbewiesene Schuld von zwei edeln Römern nie von Herzen hatte glauben mögen, deren Einen,
den Gatten Rusticianas, sie als großen Gelehrten und in manchen Gebieten als ihren Lehrer verehrte. Endlich wußte Cethegus
zu betonen, wie gerade dieser Akt, sei es der Gerechtigkeit, sei es der Gnade, die Herzen all ihrer römischen Untertanen rühren
müsse. So war die Regentin leicht gewonnen,Gnade zu
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