Ein Kampf um Rom
erteilen. Viel schwerer ward die stolze und leidenschaftliche Witwe des Verurteilten bewogen, diese Gnade anzunehmen.
Denn Wut und Rachedurst gegen das Königshaus erfüllten ihre ganze Seele, und Cethegus mußte sogar fürchten, ihr unbeherrschbarer
Haß könnte sich in der steten Nähe der »Tyrannen« leicht verraten. Wiederholt hatte Rusticiana trotz all seiner sonst so großen
Gewalt über sie dieses Ansinnen zurückgewiesen. Da machten sie eines Tages eine sehr überraschende Entdeckung, welche zur
Erfüllung der Wünsche des Präfecten führen sollte.
Rusticiana hatte eine kaum sechzehnjährige Tochter, Camilla. Aus ihrem echt römischen Gesicht mit den edeln Schläfen und den
schöngeschnittnen Lippen leuchteten dunkle, schwärmerische Augen: der eben erst vollendete Wuchs zeigte feine, fast allzu
zarte Formen, rasch und leicht und graziös wie einer Gazelle waren alle Bewegungen dieser schlanken Glieder. Eine reiche Seele
mit schwungvoller Phantasie lebte in dem lieblichen Mädchen. Mit aller Inbrunst kindlicher Verehrung hatte sie ihren unglücklichen
Vater geliebt: der Streich, welcher sein teures Haupt getroffen, hatte tief in das Leben des heranblühenden Mädchens geschlagen;
ungestillte Trauer, heilige Wehmut, mit welcher sich die leidenschaftliche Vergötterung seines Martyriums für Italien mischte,
erfüllten alle Träume ihres jungfräulichen Entfaltens. Vor dem Sturz ihres Hauses ein gerngesehener Gast am Königshof, war
sie nach der Katastrophe mit ihrer Mutter über die Alpen nach Gallien geflohen, wo ein alter Gastfreund den betrübten Frauen
monatelang eine Zufluchtsstätte bot, während Anicius und Severinus, Camillas Brüder, anfänglich ebenfalls verhaftet und zum
Tode verurteilt, dann zur Verbannung aus dem Reich begnadigt, aus dem Kerker sofort nach Byzanz an den Hof des Kaisers eilten,
wo sie Himmel und Hölle gegen die Goten in Bewegung setzten.
Die Frauen waren, als sich der Sturm der Verfolgung verzogen, nach Italien zurückgekehrt und lebten ihrem stillen Gram im
Häuschen eines treuen Freigelassnen zu Perusia, von wo aus freilich Rusticiana, wie wir gesehen, den Weg zu den Verschworenen
in Rom wohl zu finden wußte. Der Juni wargekommen, die Jahreszeit, in der der vornehme Römer noch immer, wie zur Zeit des Horatius und Tibullus, die dumpfe Luft der
Städte zu fliehen und in seine kühlen Villen im Sabinergebirge oder an der Meeresküste sich zu verstecken pflegte. Mit Beschwerde
trugen die verwöhnten Edelfrauen den Qualm und Staub in den heißen Straßen des engen Perusia, mit Seufzen der herrlichen Landhäuser
bei Florentia und Neapolis gedenkend, welche sie, wie all ihr Vermögen, an den gotischen Fiscus verloren.
Da trat eines Tages der treue Corbulo mit seltsam verlegenem Gesicht vor Rusticiana. Er hätte längst bemerkt, wie die »Patrona«
unter seinem unwürdigen Dach zu leiden und mancherlei Ungemach schon durch seine Hantierung – er war seines Zeichens ein Steinmetz
– zu erdulden gehabt, und so habe er denn an den letzten Kalenden ein kleines, freilich nur ein ganz kleines, Gütchen mit
einem noch kleineren Häuschen gekauft, droben im Gebirge bei Tifernum. Freilich, an die Villa bei Florentia dürften sie dabei
nicht denken: aber es riesele doch auch dort ein selbst unter dem Sirius nicht versiegender Waldquell, Eichen und Kornellen
gäben breiten Schatten, um den verfallnen Faunustempel wuchre üppig der Efeu, und im Garten habe er Rosen, Veilchen und Lilien
bauen lassen, wie sie Domna Camilla liebe, und so möchten sie denn Maultier und Sänfte besteigen und wie andre Edelfrauen
ihre Villa beziehen.
Die Frauen, von dieser Treue des Alten gerührt, nahmen dankbar seine Güte an, und Camilla, die sich in kindlicher Genügsamkeit
auf die kleine Veränderung freute, war heiterer, belebter als je seit dem Tod ihres Vaters. Ungeduldig drängte sie zum Aufbruch
und eilte noch am selben Tage mit Corbulo und Daphnidion, dessen Tochter, voraus, Rusticiana sollte mit den Sklaven und dem
Gepäck so bald als möglich folgen.
Die Sonne sank schon hinter die Hügel von Tifernum, als Corbulo, Camillens Maultier am Zügel führend, aus den Waldhöhen auf
die Lichtung gelangte, von wo aus man das Gütchen zuerst wahrnehmen konnte. Längst hatte er sich auf die Überraschung des
Kindes gefreut, wenn er ihr von hier aus das anmutig gelegene Haus zeigen würde.
Aber erstaunt blieb er stehen,– er hielt die Hand vor
Weitere Kostenlose Bücher