Ein Kampf um Rom
1867 für das Zollparlament getan hatte, dessen »demokratische« Richtung ihm mißfiel). 75 Dafür akzeptierte das bekennende Mitglied im »Verein für das Deutschtum im Ausland« 76 gern die Verleihung des Geheimratstitels und des hohenzollernschen Hausordens, dem späterweitere Ehren (wie etwa die Wahl »zum Mitglied des ›Institut de droit international‹«, 1890) folgten. 77
Mit 54 entschied Dahn sich noch einmal zu einem Ortswechsel. Er folgte dem Ruf an die Universität Breslau, wo er (auch hier
zeitweise Rektor, 1895 / 96) noch einmal zwölf Jahre lang wirkte. Eine Art »Wahrzeichen der Stadt«, 78 war er zugleich im Reich so bekannt, daß er als zu den unterschiedlichsten Anlässen begehrter nationaler Festredner und -reimer
ein großes Publikum anzog. 79 Gleichwohl wurde Dahn nach dem Tode Wilhelms I., den er als wiedererstandenen Barbarossa gefeiert hatte, und dem Sturz seines
mehrfach panegyrisch verklärten Idols Bismarck, der ihn am 20. April 1892 privat empfing, 80 des neuen politischen Kurses nicht mehr froh. Bittere Worte fand er in den Gegenwartspassagen seiner dickleibigen ›Erinnerungen‹
(1890 / 95) nun über jene Mentalität »der banausischen, einseitig nur nach Geld und Sinnengenuß lechzenden und hastenden Wüstheit«
seit der Reichsgründung. 81 Ansonsten blieb er auch im Alter produktiv. Mit Erscheinen des zwölften und letzten Bandes der ›Könige der Germanen‹ gelang
ihm 1909 die Vollendung seines wissenschaftlichen Hauptwerks, das er 48 Jahre zuvor begonnen hatte (und das bis heute zum unverzichtbaren Bestand der internationalen Rechtshistorie gehört). 82
Am 3. Januar 1912 ist Felix Dahn in Breslau gestorben.
III.
Mit der Geschichte des Ostgotenreichs in Italien von den letzten Tagen seines Gründers, Theoderichs des Großen (526), bis
zum Zusammenbruch unter Totila und Teja (552 / 53) hat sich Dahn sowohl als Forscher wie als Dichter beschäftigt. Wenn er in dem kurzen »Vorwort« zu seinem Roman einerseits
dessen Fundierung in verläßlicher Gelehrsamkeit hervorhebt, zugleich aber auch Ansprüche schöpferischer Autonomie geltend
macht, tippt er die Tragweite des hierin begründeten Spannungsverhältnisses jedoch allenfalls an.
Prinzipiell legte Dahn nämlich Wert darauf, »zwischen Wissenschaftund Dichtung, scharf getrennt, doppelte Buchhaltung« zu führen: »Phantasie, kühne Einfälle, verwegene Vermuthungen über Menschen
und Dinge in dem geschichtlichen Roman: – aber in der Geschichte strengste, quellenmäßige, nüchternste Gegenständlichkeit.« 83
Eine solche Aussage deutet darauf hin, wie mißverständlich das ihm von den Zeitgenossen bis heute mit anrüchigem Beiklang
zugewiesene Etikett des »Professorenromans« 84 ist (sofern es denn über mehr Auskunft erteilen soll als den bürgerlichen Beruf des Verfassers). Unstreitig bezeichnet Dahns
Bestehen auf der notwendigen Schere zwischen Fakt und Fiktion jedenfalls eine Differenz zu jenem anderen Vertreter des Genres,
mit dem er meist gemeinsam genannt zu werden pflegt, dem Ägyptologen Georg Ebers. Während dieser sich offen dazu bekannte,
als Romancier »Resultate seiner Forschungen (. . .) zugänglich zu machen« 85 und den eigenen Wissensfundus mit teilweise ausufernden Fußnoten beglaubigte, ging es Dahn hingegen nur begrenzt um möglichst
authentische Rekonstruktion geschichtlicher Milieus und Charaktere in der Manier eines literarisch unterfütterten Sachbuchs.
Seine Hauptziele waren andere.
Eine gewisse Verwandtschaft zu Ebers stellt allerdings die (wenn auch entschieden sparsamere) Einbeziehung lebensweltlicher
Details aus den drei verschiedenen Kulturen her, die bei ihm aufeinandertreffen. Mag es sich nun um den »Rasengang«, das »feierlichste«
nordgermanische Ritual »zur Begründung der Blutsbrüderschaft« 86 (I/2), handeln, um die üppigen spätrömischen Tafelsitten 87 (III/7.8) oder um die raffinierte Toilettenkunst der byzantinischen Kaiserin (III/17): in bunter Vielfalt durchziehen derlei
Schilderungen das Buch mal ausführlich, mal bloß wie hingetupft. Spätestens seit Edward Bulwer-Lyttons ›Die letzten Tage von
Pompeji‹ (1834 – dtv 13 762) – in Ansätzen schon bei Walter Scott, dem Begründer dieser im 19. Jahrhundert so unerhört erfolgreichen Gattung 88 – zählte derlei antiquarische Grundierung zu den unabdingbaren Vorgaben jedes historischen Romans. Das Erzeugen von Atmosphäre
und Kolorit
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