Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
Vom Netzwerk:
»Klarheit gilt es«, sprach er zu sich selbst, »und Ruhe.«
    Leise trat er näher und ergriff die herabgesunkene Hand Amalaswinthens. »Erhebe dich, hohe Frau, du gehörst den Lebendigen,
     nicht den Toten.«
    Erschrocken sah sie auf: »Du hier, Cethegus? Was suchst du hier?«
    »Eine Königin.«
    »Oh, du findest nur eine weinende Mutter!« rief sie schluchzend.
    »Das kann ich nicht glauben. Das Reich ist in Gefahr, und Amalaswintha wird zeigen, daß auch ein Weib dem Vaterland den eignen
     Schmerz opfern kann.«
    »Das kann sie«, sagte sie, sich aufrichtend: »Aber sieh auf ihn hin. – Wie jung, wie schön   –! Wie konnte der Himmel so grausam sein.«
    »Jetzt oder nie«, dachte Cethegus. »Der Himmel ist gerecht, streng, nicht grausam.«
    »Wie redest du? was hatte mein edler Sohn verschuldet? Wagst du, ihn anzuklagen?«
    »Nicht ich! Doch eine Stelle der heiligen Schrift hat sich erfüllt an ihm: ›Ehre Vater und Mutter, auf daß du lang lebest
     auf Erden.‹ Die Verheißung ist auch eine Drohung. Gestern hat er gefrevelt gegen seine Mutter und sie verunehrt in trotziger
     Empörung:– heute liegt er hier. Ich sehe darin den Finger Gottes.«
    Amalaswintha verhüllte ihr Antlitz. Sie hatte dem Sohn an seinem Sarge seine Auflehnung herzlich vergeben. Aber diese Auffassung,
     diese Worte ergriffen sie doch mächtig und zogen sie ab von ihrem Schmerz zur liebgewordenen Gewohnheit des Herrschens.
    »Du hast, o Königin, die Untersuchung gegen mich niederschlagen wollen und Witichis zurückberufen. Letzteres mag sein. Aber
     ich fordere die Durchführung des Prozesses und feierliche Freisprechung als mein Recht.«
    »Ich habe nie an deiner Treue gezweifelt. Weh mir, wenn ich es jemals müßte. Sage mir: ich weiß von keiner Verschwörung! und
     alles ist abgetan.« – Sie schien seine Beteurung zu erwarten.
    Cethegus schwieg eine Weile. Dann sagte er ruhig: »Königin, ich weiß von einer Verschwörung.«
    »Was ist das?« rief die Regentin und sah ihn drohend an.
    »Ich habe diese Stunde, diesen Ort gewählt«, fuhr Cethegus mit einem Blick auf die Leiche fort, »dir meine Treue entscheidend
     zu besiegeln, daß sie dir unauslöschlich möge ins Herz geschrieben sein. Höre und richte mich.«
    »Was werd’ ich hören?« sprach die Königin wachsam und festentschlossen, sich weder täuschen noch erweichen zu lassen.
    »Ich wär’ ein schlechter Römer, Königin, und du müßtest mich verachten, liebte ich nicht vor allem andern mein Volk. Dies
     stolze Volk, das selbst du, die Fremde, liebst. Ich wußte,– wie du es weißt – daß der Haß gegen euch als Ketzer, als Barbaren
     in den Herzen fortglimmt. Die letzten strengen Taten deines Vaters hatten ihn geschürt. Ich ahnte eine Verschwörung. Ich suchte,
     ich entdeckte sie.«
    »Und verschwiegst sie!« sprach die Regentin, zürnend sich erhebend.
    »Und verschwieg sie. Bis heute. Die Verblendeten wollten die Griechen herbeirufen und nach Vernichtung der Goten sich dem
     Kaiser unterwerfen.«
    »Die Schändlichen!« rief Amalaswintha heftig.
    »Die Toren! Sie waren schon so weit gegangen, daß nur
ein
Mittel blieb, sie zurückzuhalten: ich trat an ihre Spitze, ich ward ihr Haupt.«
    »Cethegus!«
    »Dadurch gewann ich Zeit und konnte edle, wenn auch verblendete Männer von dem Verderben zurückhalten. Allgemachkonnte ich ihnen die Augen darüber öffnen, daß ihr Plan, wenn er gelänge, nur eine milde mit einer despotischen Herrschaft
     vertauschen würde. Sie sahen es ein, sie folgten mir, und kein Byzantiner wird diesen Boden betreten, bis ich ihn rufe, ich
     – oder du.«
    »Ich! rasest du?«
    »›Nichts ist den Menschen zu verschwören!‹sagt Sophokles, dein Liebling. Laß dich warnen, Königin, die du die dringendste
     Gefahr nicht siehst. Eine andre Verschwörung, viel gefährlicher als jene römische Schwärmerei, bedroht dich, deine Freiheit,
     das Herrschaftsrecht der Amaler, in nächster Nähe – eine Verschwörung der Goten.«
    Amalaswintha erbleichte.
    »Du hast gestern zu deinem Schrecken ersehn, daß nicht deine Hand mehr das Ruder dieses Reiches führt. Ebensowenig dieser
     edle Tote, der nur ein Werkzeug deiner Feinde war. Du weißt es, Königin, viele in deinem Volk sind blutdürstende Barbaren,
     raubgierig, roh: sie möchten dies Land brandschatzen, wo Vergil und Tullius gewandelt. Du weißt, dein trotziger Adel haßt
     die Übermacht des Königshauses und will sich ihm wieder gleichstellen. Du weißt, die rauhen Goten denken

Weitere Kostenlose Bücher