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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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L’histoire de France. Sophie tippte die Wörter in die Tastatur und freute sich über die unmittelbar aufpoppende Belohnung, die unerschöpfliche Wissensquelle unter ihren Fingerspitzen. Mit jedem Zeitalter, das vorüberging, wurden die Dinge immer grandioser. Natürlich hatte der Fortschritt auch Nachteile. Es gab viele, viele Dinge, die sie vermisste. Aber jeder neue Tag enthüllte auch ein neues Wunder.
    »V eux-tu du saumon?«, fragte Manon, das Telefon gegen ihr Ohr gepresst. »P our d î ner«, fügte sie erklärend hinzu, als Sophie zu ihr aufblickte.
    Sophie nickte. Es war ihr egal, was sie aß. Sie konnte Manons mannigfache Gelüste nicht nachvollziehen: Essen, Trinken, Zigaretten, Menschen. Sophie dürstete es nach Wissen, nach Lernen. Eines Tages, wenn sie es irgendwie geschafft hatte, ihr Gehirn mit genug Wahrheit und Verstehen zu füllen, dann würde sie vielleicht beginnen, sich selbst zu begreifen. Ihr Leben und das derer, das so unwiderruflich mit dem ihren verwoben war. Vielleicht.
    Ein dünner Faden aus Zigarettenrauch zog über sie hinweg. Manon lief immer noch mit dem Telefon gegen ihr Ohr gepresst umher, um Essen beim Concierge zu bestellen.
    Die Ergebnisse von Sophies Internetsuche bedeckten den Bildschirm ihres Laptops und sie lehnte sich nach vorne. Doch genau in diesem Moment begannen die Worte ohne Vorwarnung wie unter Wasser zu flimmern. Sophie runzelte die Stirn und warf einen Blick zur Tür, um sicherzugehen, dass der Überspannungsschutz eingeschaltet war. Dieser Computer war praktisch nigelnagelneu. Was…?
    Sophie, meine Liebste. Komm nach New Orleans. Es ist wichtig. Daedalus.
    Noch während Sophie die Worte ansah und zu begreifen versuchte, lösten sie sich auf. Manon hatte das Gespräch beendet und war näher getreten, um zu sehen, was Sophie da so intensiv anstarrte.
    »W ir haben schon eine ganze Weile nichts mehr von ihm gehört«, sagte sie unnötigerweise.
    Sophie erwiderte nichts.
    »W erden wir gehen?«, fragte Manon.
    Wieder antwortete Sophie nicht. Ihre großen, braunen Augen suchten den Raum ab, irrten durch die Luft, starrten über Tausende von Meilen direkt in die von Daedalus.

    »U nd jetzt Ouida«, murmelte Daedalus, während er seinen Geist von allen Gedanken und Gefühlen reinigte. Er existierte, doch er war sich seines Seins nicht bewusst. Er war eins mit dem Holz, eins mit der Luft, dem Glas, der Flamme…

    Okay, angenommen, die Probe war nicht verschmutzt worden, dann könnte sie ungefähr dreißig Zellen isolieren, durch eine Trypsin-Giemsa-Färbung ziehen, und schon hätte sie einen hübschen Chromosomensatz zum Untersuchen. Vorsichtig manövrierte Ouida Jeffers die Schale mit dem genetischen Material aus der Zentrifuge. Sie hörte, wie die Labortür aufschwang und wieder ins Schloss fiel, doch sie sah nicht auf, bis die Probe nicht sicher in einem Fach lag und sie die Kühlschranktür geschlossen hatte. Nicht nach dem letzten Dienstag. Nachdem die Arbeit eines ganzen Monats den Bach hinuntergegangen war. Beziehungsweise die Kanalisation. Gott.
    »B itte entschuldigen Sie, Frau Doktor.«
    Ouida blickte zu ihrem Assistenten hinüber, der ihr eine pinke Telefonnotiz hinhielt.
    »D as kam für Sie.«
    »O kay, danke, Scott.« Ouida nahm die Nachricht entgegen. Vielleicht ging es um den Praktikanten, mit dem sie ein Vorstellungsgespräch geführt hatte.
    Komm nach New Orleans, Ouida, stand da. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sie atmete schnell und sah sich im Labor um, ihrem Labor, das ihr so vertraut war und für all das stand, wofür sie so hart gearbeitet hatte. Wir brauchen dich, sagte die Nachricht. Endlich. Daedalus.
    Ouida schluckte schwer, sank auf einen Stuhl und las die Nachricht erneut. Entspann dich, nur die Ruhe. Du musst nicht gehen. Sie blickte aus dem Fenster, das von einem Sicherheitsdraht umgeben war. Draußen war der Himmel wolkenlos und blau. New Orleans. In New Orleans würde es um diese Zeit sehr heiß sein.

    Als er Claire erblickte, verzog Daedalus das Gesicht. Ganz offensichtlich hatte sie seit ihrem letzten Treffen keine großen Fortschritte gemacht. Er sah sie schwerfällig auf einem billigen Holzstuhl lümmeln. Zwei ungleiche Reihen umgedrehter Schnapsgläser glänzten klebrig auf dem Resopaltisch, auf dem sie sich mit den Ellbogen abstützte.
    Claire.
    Aus der Menge um sie herum erklangen Sprechgesänge. Ein bulliger Mann mittleren Alters und von asiatischer Abstammung– Daedalus hätte nicht sagen können, wo genau er herkam–

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