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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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Anwaltskanzlei! In was für einer Welt leben wir eigentlich?!«
    »Komm, hol dir was zu trinken«, sagte Elizabeth, hakte Raychel bei sich unter und zog sie beiseite. »Wir sind so froh, dass du gekommen bist.« Ben stand inzwischen bei John und George am Grill. »Du musst unbedingt meine Freundinnen kennen lernen.«
    »Wissen sie Bescheid?«, fragte Raychel.
    »Sie wissen, dass du Bevs Tochter bist«, sagte Elizabeth. »Sie freuen sich so für mich, dass ich dich gefunden habe. Und wie geht’s euch inzwischen in eurer entzückenden Wohnung? Habt ihr schon alles so, wie ihr es wolltet?«
    »Nein, das wird noch eine Weile dauern.« Raychel kam sofort zur Sache. »Elizabeth, heute Morgen habe ich einen Brief bekommen, der mir von unserer alten Adresse nachgeschickt wurde. Von meiner Mutter.«
    »Hast du ihn dabei?«
    »Ja.« Raychel kramte in ihrer Handtasche.
    »Gehen wir ins Haus.« Es war schon ironisch, dachte Elizabeth, dass sie all die Jahre so erfolglos nach ihrer Schwester gesucht hatte und Bevs Brief Raychel nun so leicht erreichte.
    In Johns Arbeitszimmer am Ende des Flurs händigte Raychel ihr den Brief aus.
    »Liebe Lorraine/Raychel,
    hab ich dich gefunden? Bitte las es mich wissen. Ich bin mit meiner Weißheit am Ende und weis nich, ob es dir gut get. Ich will dich widersehn. Ich will nix von dir, aber ich hab dir was Wichtiges zu sagen. Kann ich dich besuchen komen, oder kannst du mich besuchen?
    Alles Liebe,
    Deine Mutter.«
    Obwohl sie längst erwachsen war, hatte Raychel den Brief mit zitternden Händen gelesen. Er war wie ein Schlüssel zu einer Tür in ihrem Kopf, hinter der all die Erinnerungen an ihre Kindheit verborgen lagen: das heruntergekommene Haus, die fremden Leute, die Drogen kauften, Nathan Lunn und seine Grausamkeit und ihre Mutter, die zu benebelt war, um ihn zu bremsen, wenn er in einem seiner Tobsuchtsanfälle wie wild um sich schlug und prügelte. Aber die Tatsache, dass Elizabeth sie gefunden hatte, hatte ihr neue Kraft gegeben. Sie hatte nicht mehr das Gefühl, dass sie und Ben allein auf der Welt waren. John kümmerte sich um Ben wie um einen Sohn, und sie konnte spüren, dass Elizabeths Liebe und Kraft auf sie ausstrahlten. Sie fühlte sich so geborgen wie nie zuvor in ihrem Leben in diesem neuen Familienkreis.
    »Eigentlich will ich sie lieber nicht sehen, aber ich habe das Gefühl, ich muss. Sie kann mir sagen, was sie mir sagen muss, und dann kann sie mich in Ruhe lassen. Oder was soll ich tun?«
    Elizabeth nahm Raychels Hände in ihre eigenen.
    »Möchtest du, dass ich zu ihr fahre?«
    »Das könnte ich nicht von dir verlangen.«
    »Doch, das kannst du. Überlass es einfach mir.« Elizabeth holte einmal tief Luf, während sie entschied, diese Aufgabe auf sich zu nehmen. »Ich übernehme das. Ich werde sehen, was sie will.«
    Es war längst überfällig. Elizabeth musste ihre Schwester sehen. Sie hatte selbst ein paar Dinge mit ihr zu klären.

Sechsundsechszigstes Kapitel
    I m West House war inzwischen eine Routine eingekehrt, als sei schon immer alles so gewesen. Niki hackte in der Küche Gemüse, als Grace nachhause kam. Er hatte eine Flasche Wein geöffnet, und drei Gläser warteten ungeduldig daneben.
    »Ah, guten Abend, Gracie«, sagte Niki. »Wo ist meine Schwester?«
    »Christie wollte noch kurz in die Stadt. Sie braucht neue Schuhe.«
    »Nein, sie braucht keine, sie will neue Schuhe«, sagte Niki mit einem laut dröhnenden und ansteckenden Lachen, über das Grace unwillkürlich lächeln musste. Wie anders als ihr eigenes ehemaliges war doch dieses Haus. Trotz des alten Gemäuers war es jung und lebendig, nicht mit dieser Atmosphäre, als stünde man schon mit einem Fuß im Grab. Auf Nikis iPod lief Lily Allen. Gordon hätte bestenfalls irgendeinen düsteren Radiosender eingestellt, der klang, als würde er aus einem Kriegsgebiet kommen. Sie fragte sich, wo Gordon war und was ihm in diesem Augenblick wohl durch den Kopf ging. Dann verscheuchte sie den Gedanken, als Niki ihr ein großzügiges Glas Chablis in die Hand drückte.
    »Kosten Sie mal«, forderte er sie auf. »Ich persönlich finde ja, er schmeckt himmlisch.«
    »Kann ich mich irgendwie nützlich machen?«, fragte Grace.
    »Nein, nein«, sagte Niki. »Beim Kochen entspanne ich mich. Und ich hatte heute das reinste Nervenbündel als Patient. Ein achtundfünfzigjähriger Firmendirektor mit einer solchen Angst vor Spritzen, Sie würden es nicht glauben.«
    »Wie beruhigen Sie so jemanden denn?«, fragte

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