Ein Kerl macht noch keinen Sommer
Grace.
»Akupunktur«, sagte Niki.
»Nein«, sagte Grace.
»War’n Witz«, sagte Niki und schnalzte mit der Zunge. »Erwischt, Grace!« Ihre Blicke trafen sich, sie starrten sich an, und Grace wusste, dass Christie nicht übertrieben hatte, als sie angedeutet hatte, ihr Bruder habe sie sehr gern. Seine nächsten Worte bestätigten es.
»Ich … wir beide haben Sie so gern hier«, sagte er mit seiner entzückenden tiefen, bärenhaften Stimme.
»Danke, Niki. Ich bin euch beiden so dankbar. Ich werde versuchen, euch nicht allzu lange zur Last zu fallen.«
»Das könnten Sie gar nicht, Gracie«, sagte Niki. Dann streute er wieder ein bisschen mehr Witz ein, indem er eine Arie über seine Jakobsmuscheln sang, denn er würde, wie seine Schwester schon so treffend bemerkt hatte, Grace als Gast nicht kompromittieren, nicht nach dem, was sie in letzter Zeit durchgemacht hatte. Er wusste, dass in ihrem Kopf das reinste Chaos herrschen musste und dass das Letzte, was sie jetzt brauchte, ein unverheirateter Zahnarzt war, der ihr einen immer größer werdenden Haufen nicht zu leugnender Gefühle erklärte.
Aber sie war eine Frau, auf die es sich zu warten lohnte. Und Nikita Koslov dachte, dass er ja vielleicht sein Leben lang nur auf sie gewartet hatte.
Siebenundsechzigstes Kapitel
I ch kann gar nicht glauben, dass schon wieder eine Woche um ist!«, sagte Christie, während sie den eisgekühlten Zinfandel in fünf Gläser schenkte. »Hat eine von euch am Wochenende irgendwas Aufregendes vor? Es kommt mir vor, als ob es erst zwei Minuten her ist, seit ich diese Frage letzten Freitag gestellt habe.«
»Ich werde Calums Tante im Altersheim besuchen«, sagte Dawn mit einem Lächeln.
»O verdammt, mit so viel Aufregung kann ich nicht mithalten«, sagte Anna.
»Ach, sei nicht gemein«, lachte Dawn. »Sie will mein Kleid sehen, daher musste ich ein Foto von mir damit machen lassen. Sie ist zu gebrechlich, um in die Kirche zu kommen.«
»Christie und ich werden ins Theater gehen«, sagte Grace.
»Und mein Bruder kommt auch mit«, sagte Christie. »Er hat eine Schwäche für Grace.«
»Na, dann mal los, Gracie«, wiederholte Anna im Grunde nur das, was schon Paul und Laura zu ihr gesagt hatten. Auch für die beiden war sonnenklar, dass Niki ihre Mutter sehr gern hatte. In ihrer Nähe sprühte er immer vor guter Laune, und auch wenn Grace zu ihren Kindern gesagt hatte, so sei er bei allen Leuten, denn das sei eben einfach seine Art, glaubten sie ihr kein Wort. Mochte sie Niki genug, um Ja zu sagen, falls er sie zum Essen einladen sollte?, hatte Paul sie gefragt. Der Gedanke machte Grace Angst, ehrlich gesagt. Die Vorstellung, eine neue, normale Beziehung mit allem, was dazugehörte, anzufangen, war beängstigend. Vor allem, wenn man einen fünfundfünfzig Jahre alten Körper hatte, auch wenn er dank jahrelangem Yoga noch immer fantastisch in Form war. Aber andererseits, Niki war schließlich auch schon fünfzig. Waren Männer ebenso unsicher hinsichtlich ihres eigenen Körpers, wenn neue Partnerinnen ins Spiel kamen?
»Was wirst du denn jetzt machen, wo die Dreharbeiten abgeschlossen sind? Wirst du dich nicht verloren fühlen?«, fragte Raychel Anna.
»Na ja.« Anna beugte sich vor, um ihre Neuigkeiten mitzuteilen. »Mr. Darq lässt mich morgen Abend mit einem Wagen abholen. Er hat gesagt, er habe etwas für mich.«
»Was denn?«, fragte Dawn mit vor Aufregung leuchtenden Augen.
»Keine Ahnung. Aber ich werde offenbar nicht sehr lange dort sein, das hat er jedenfalls gesagt.« Sie seufzte schwer bei dem Gedanken, ein zweites Mal Abschied von ihm nehmen zu müssen.
»Oh, wie aufregend.« Christie grinste. »Ich frage mich, was das sein könnte. Kannst du es überhaupt noch erwarten?«
Anna spielte die Aufregung herunter, die allein schon bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen, in ihr hochsteigen wollte. »Das werde ich wohl müssen, oder?« Sie wusste schon gar nicht mehr, wie oft sie in dieser letzten Woche an seine Hand auf ihrem Herzen gedacht hatte. Einmal hatte sie sogar von ihm geträumt, und er war wild und leidenschaftlich gewesen und hatte ihr damit gedroht, sie zu fressen. Auch wenn der Traum zu Ende gewesen war, bevor er sein Versprechen wahr gemacht hatte, sodass sie nie herausgefunden hatte, ob er es wörtlich oder metaphorisch gemeint hatte. Sie fragte sich, ob sie ihm nach dieser sexuellen Anspannung, die ihr nächtliches Gehirn erzeugt hatte, überhaupt noch würde in die Augen sehen können. Vladimir Darq
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