Ein Kerl macht noch keinen Sommer
den Tisch. Die anderen brannten darauf, alles von ihr zu erfahren, aber sie begann ganz langsam, um sie ein bisschen zappeln zu lassen: »Es war einmal vor langer Zeit …«
»Wenn du nicht gleich loslegst, wirst du es bereuen«, sagte Dawn.
»Na ja, ehrlich gesagt stand ich fast den ganzen Abend allein da und habe mir mit dem Hund Kanapees geteilt …«
»Davon kannst du uns später erzählen.« Christie forderte sie mit einer Handbewegung auf, gleich zu den pikanteren Details vorzuspulen.
»… also bin ich schon früh wieder nachhause gefahren, aber Vladimir ist mir gefolgt und hat mir einen Gutenachtkuss gegeben, und gestern Morgen hat er mich zuhause abgeholt, und ich habe fast den ganzen Tag mit ihm verbracht.«
»Und was habt ihr gemacht?«
»Wir haben uns einen Film angesehen, er hat für mich gekocht …«
»Und? Du Hexe!«, sagte Dawn.
»Wir haben Musik gehört, und dann …«
»Anna!«
»Dann hat Vlad mich gepfählt …«
»Halleluja!«, rief Grace, und alle applaudierten Anna.
»Ist Tony wiedergekommen?«, fragte Dawn.
»O ja.«
»Ich hoffe, du hast ihm gesagt, was er dich kann.«
»Mehr oder weniger«, sagte Anna. »Und ihr werdet es nicht glauben – sogar der verdammte Kater ist zu mir zurückgekommen.«
»Den Kater kannst du von uns aus behalten«, sagte Grace. »Der hat schließlich keine Eier.«
»Hat die überhaupt irgendwer?«, erlaubte sich Raychel, was sie nur selten tat, einen gewagten Witz.
»Ich kenne jemanden, der hat garantiert welche«, sagte Anna verträumt. »Auch wenn sie heute Morgen nicht besonders voll sein werden.«
»Anna Brightside, du dreckiges Luder!«, lachte Grace.
»Wie war denn nun eigentlich dein Junggesellinnenabschied?«, wandte sich Christie jetzt an Dawn. Sie machte sich Sorgen um Dawn.
»Grauenhaft«, sagte Dawn. »Aber gestern hatten wir die Generalprobe für die Hochzeit, und Calum war … ein völlig anderer Mensch. Es war so seltsam. Er ist nicht in den Pub gegangen und hat mich auch nicht zum Mittagessen zu seiner Mutter gezerrt. Er wollte, dass nur wir beide zusammen sind.« Er war so wie am Anfang , fügte sie im Stillen hinzu.
»Er kommt eben allmählich in Hochzeitsstimmung«, sagte Grace. Sie hatte angefangen, Dawn in ihre Abendgebete mit einzuschließen. Lieber Gott, bitte mach, dass sie aus den richtigen Gründen heiratet . »Wann holst du dein Kleid ab?«
»Heute Abend, nach der Arbeit.«
»Das heißt, der Countdown beginnt?«, fragte Anna.
»Auf jeden Fall«, sagte Dawn. Sie versuchte, genauso zu lächeln wie Anna, aber tatsächlich würde Calum sie niemals so von innen erleuchten, wie Vladimir Darq es offenbar bei ihrer grinsenden Kollegin schaffte. Calum war gestern zuckersüß zu ihr gewesen, aber das änderte im Grunde nichts, denn jeder ihrer Gedanken galt noch immer Al Holly. Sie hatte sich leise in den Schlaf geweint, und sie hatte Stunden dafür gebraucht, denn es stimmte: Die Countdown-Uhr für ihre Hochzeit tickte jetzt laut und deutlich, aber die, die für Al Holly tickte, der mit seinen Koffern in einen Bus steigen würde, tickte noch viel lauter.
Achtzigstes Kapitel
D awn starrte auf ihr Spiegelbild. Sie sah hübsch aus, selbst wenn sie es sich selbst sagte. Wie könnte sie das auch nicht, in einem solchen Kleid? Aber sie lächelte ihr Spiegelbild nicht ein bisschen an.
»Das passt ja wie angegossen«, sagte Freya. »Sie sind sicher schon ganz aufgeregt.«
»Ja, ja, das bin ich.« Dawn versuchte, fröhlich die Mundwinkel hochzuziehen. Aber gegen die Wolken von Tränen, die sich hinter ihren Augen zusammenbrauten, kam sie einfach nicht an. Sie kullerten schneller über ihre Wangen, als sie sie wegwischen konnte.
»Sie würden sich wundern, wie viele Bräute ich hier schon habe schluchzen sehen.« Freya reichte ihr ein Taschentuch, das schon bereitlag.
»Wirklich?« Das konnte Dawn ihr nur schwer glauben. Bräute sollten doch fröhlich und munter und der strahlende Sonnenschein sein, oder? Bräute schritten doch nicht zum Altar, wenn sie Gitarristen im Kopf hatten, die im Begriff waren, in ein Flugzeug zu steigen.
»Ich habe als Braut selbst geweint«, sagte Freya. »Ich habe so heftig geweint, dass mein Vater am Eingang der Kirche zu mir sagte: ›Weißt du, Freya, wenn du da jetzt nicht hineingehen willst, dann kehren wir einfach um und fahren wieder nachhause. Denk nicht, dass du irgendjemanden enttäuschst, konzentrier dich nur auf das, was du willst.‹«
»Und sind Sie hineingegangen?«
»Ja, das bin
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