Ein Kerl macht noch keinen Sommer
faszinierend, bei einer Fernsehshow dabei zu sein. Aber längst nicht so glamourös, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Anna war halbwegs entspannt bis zu dem Augenblick, als der Regisseur sie fragte, ob sie sich jetzt ausziehen könnte. Auf einmal wurde ihr ganz mulmig, während sie sich vorstellte, wie Malcolm womöglich ihre Titten in der Glotze sah.
»Nur bis auf die Unterwäsche, Anna. Wir müssen Vlad fragen, warum er sie so grässlich findet.«
Anna holte einmal tief Luft und schlüpfte aus ihrer Bluse und ihrem Rock. Sie stellte sich vor, dass alle laut auflachen würden – oder sich übergeben. Nicht gerechnet hatte sie – zu Unrecht, wie sie bald begriff – damit, dass sie es hier mit echten Profis zu tun hatte, die nur ihren Job machten und die im Laufe ihres Lebens vermutlich schon mehr Brüste und BH s und Pos gesehen hatten als der Pornokönig Ron Jeremy.
Leonid machte ein paar Aufnahmen von Anna mit einer sehr großen und schwer aussehenden Kamera. Sie brauchten ein paar Standaufnahmen, erklärte er. Sie hoffte nur, dass diese Bilder später nicht auf irgendwelchen Amateur-Pornoseitenauftauchen würden.
Die Filmaufnahmen begannen wieder.
»Also, Vladimir«, begann Jane, »was ist falsch an Annas Unterwäsche?«
»Was ist richtig daran?«, lachte er humorlos auf. »Der BH ist zu klein, sie trägt die völlig falsche Größe, und ihre Oberweite hat überhaupt keinen Halt.«
»Aber die Wäsche ist hübsch«, warf Jane ein.
»Hübsch hässlich, meinen Sie wohl. Sehen Sie nur, wie sich die Träger in ihre Schultern schneiden«, fuhr er fort, hob besagten Träger hoch und zeigte der Kamera die Einkerbung, die er auf Annas Haut hinterlassen hatte. »Und was diesen Schlüpfer angeht …« Er stieß einen verzweifelten Laut aus.
»Schnitt!«, rief Mark. »Ausgezeichnet. Anna, dort in der Ecke steht ein Wandschirm, da können Sie rasch in andere Unterwäsche schlüpfen, und dann drehen wir dasselbe nochmal.«
Offenbar konnte Vladimir in der englischen Sprache keine Worte dafür finden, wie abscheulich er Annas zweite und dritte Garnitur Unterwäsche fand. Auf Rumänisch hingegen schien es jede Menge Wörter dafür zu geben. Dann hielt Jane Anna ein paar farbige Tücher ans Gesicht und ging die Farbtöne durch, die zu ihrem Teint passen würden. Das war interessant. Offenbar stand ihr Schwarz sehr gut, was ein Glück war, denn das war mehr oder weniger die einzige Farbe, die Anna in ihrem Kleiderschrank hängen hatte. Vladimir tat die »Farbtheorien« mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. Er sagte, wenn eine Frau inneres Selbstbewusstsein habe, dann könne sie sogar mit den unmöglichsten Farbtönen fantastisch aussehen. Anna versuchte sich vorzustellen, wie sie mit leuchtend bunten Farben aussehen würde, Farben, wie Christie sie trug. Sie kam zu dem Schluss, dass sie ein hoffnungsloser Fall war.
Dann musste sich Anna vor den Spiegel stellen und Jane sagen, was sie in ihrem Spiegelbild sah. Wo sollte sie da anfangen?
»Meine Oberweite ist zu groß, meine Taille nicht schmal genug, meine Hüften zu breit …« Die Liste wurde immer länger. Bis sie zu den Knien kam, die wie Krepppapier aussahen, standen Anna die Tränen in den Augen. Sie versuchte sie hochzuschniefen, aber es gelang ihr nicht. Sie kullerten ihr über die Wangen, während sie eingestand, dass sie sich absolut wertlos, hässlich und alt fühlte. Sie steigerte sich so tief in ihre Selbstgeißelung hinein, dass sie ganz vergaß, dass die Kamera da war.
»Schnitt!«, rief Mark. »Leute, ich denke, das reicht für heute. Packen wir unser Zeug ein und verschwinden wir.«
»Entschuldigung«, sagte Anna, als Jane ein Taschentuch zückte und es ihr hinhielt.
»Sie waren fabelhaft und so natürlich«, sagte Jane und rieb Anna aufmunternd die Schulter. »Alle Frauen werden sich mit Ihnen identifizieren können.«
»Anna, bevor Sie gehen, könnten Sie noch rasch hier hineinschlüpfen?«, fragte Vladimir. Er hielt ein steifes, dunkelrotes Korsett hoch. Selbst wenn sie den Blick nach vorn wandte, konnte Anna sehen, dass ihre Brust mit diesem Teil fast einen Meter höher war als ohne. Vladimir beugte sich von hinten zu ihr vor, und sie konnte sein Eau de Cologne riechen. Irgendetwas, das sie noch nie gerochen hatte: exotisch und würzig, aber zugleich so frisch wie eine frisch gefällte Tanne.
Er schnürte ihr Korsett hinten fachmännisch zu und trat dann einen Schritt zurück, um sie zu mustern. Dann kam er wieder nach vorn und drückte
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