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Ein Kind, das niemand vermisst

Ein Kind, das niemand vermisst

Titel: Ein Kind, das niemand vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kody DeVine
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den schweren Vorhangstoff beiseite schob und in die Abenddämmerung blickte.
    »Er ist gerade einmal fünf Minuten über die Zeit«, sagte Gemma halb lachend. »Ist alles in Ordnung mit dir?« Ihre Stimme war ernst geworden.
    »Ja, nur der übliche Stress auf der Arbeit«, log Cunningham und zog sein Mobiltelefon heraus. Er brachte es nicht über sich, jetzt in diesem Moment von einem erstochenen achtzehnjährigen Jungen zu erzählen, oder einem kleinen Mädchen, das verschwunden war, ganz zu schweigen von den Überresten des Kleinkindes, die in einem Garten gefunden worden waren.
    »Ich komme gleich wieder«, sagte er und marschierte in die Küche, wo er die Tür hinter sich schloss. Nachdem er Mrs Conroy angerufen hatte, die erstaunlicherweise ziemlich nüchtern klang, um zu fragen, ob Chloe irgendjemanden in Manchester kannte, was diese verneinte, lehnte er sich gegen den Küchentresen und ließ den Tag Revue passieren. Irgendetwas hatten sie vielleicht übersehen. Ein kleines Detail, das ihrer Aufmerksamkeit entgangen war und doch wichtig genug war, einige Schritte vorwärts zu kommen. Wieso war Chloe nach Manchester gefahren?
    Ein Gepolter im Flur unterbrach seine Gedanken. Er riss die Tür auf und blickte seinen Sohn an, der mit glasigen Augen und einer ziemlich starken Alkoholfahne vergeblich versuchte den Schirmständer aufzustellen, gegen den er offensichtlich gestolpert war.
»Was zum Henker-« Gemma stand mit offenem Mund im Wohnzimmertürrahmen und starrte von Ethan zu ihrem Mann.
    »Bist du betrunken?«, fragte Cunningham überflüssigerweise.
    »Nur'n bisschen Bier und Dope«, lallte Ethan, ließ vom Schirmständer ab und wankte auf die Treppe zu.
    »Oh mein Gott!«, rief Gemma laut und warf die Hände in die Luft.
    »Ist nix los, ehrlich, alle trinken« Er lachte und Cunningham konnte ihn gerade noch rechtzeitig auffangen, als er bei der ersten Stufe das Gleichgewicht verlor.
    »Guter Grund zum Feiern, oder?« Er lachte wieder und ließ sich von seinem Vater gestützt die Treppe hinauf führen. »Gibt keinen besseren Grund als Evanna, der Vamp, aus der Klapse entlassen und...hicks...die Terroristin zu spielen bis der Arzt kommt.«
    »Vorsicht!«, mahnte Cunningham bei der letzten Stufe.
    »Dad, is' nicht richtig, dass sie frei ist, oder?«
    »Nein, das ist es wohl nicht«
    Im nächsten Moment erbrach sich Ethan auf den Teppich.
     

10
     
    Um Punkt sieben Uhr dreißig traf sich die Kriminalpolizei im Konferenzraum, der gerade frisch renoviert war und stark nach Farbe roch, obwohl über Nacht die Fenster offen gelassen worden waren. Das und der wenige Schlaf, gefolgt von Albträumen, in denen sein Sohn immer wieder von einem maskierten Mädchen verfolgt wurde, verursachte Cunningham hämmernde Kopfschmerzen.
    »Ich hoffe Sie sind alle fit und munter, denn jeder von uns muss heute mindestens einhundert Prozent geben«, begann er, nahm einen Schluck schwarzen Kaffee und blickte in die teils müden, teils angespannten Gesichter. Haines saß ganz vorne, ihr üblicher Notizblock auf dem Schoß aufgeschlagen,  trommelte sie mit dem Kuli auf das weiße Blatt Papier.
    »Wir haben einen erstochenen Jugendlichen und das ausgegrabene Skelett eines Kleinkindes.  Im Fall des Kleinkindes werden  gerade die Nachbarn befragt, viel mehr können wir im Moment nicht tun. Der Anthropologe wird sich allerdings heute oder Morgen melden und hoffentlich weitere Anhaltspunkte mitteilen können.«
    »Weiß man schon wie lange das Kind dort lag?«, fragte Barton. Seine Haare waren mit Gel streng nach hinten gekämmt, was ihm eher das Aussehen eines Schuljungen verlieh, als das eines Kriminalbeamten. Doch seine Augen blitzten wachsam.
    »Nein, noch nicht« Cunningham drehte sich zur Schautafel um, an der Fotos vom Tatort geheftet und wichtige Punkte im Fall Hawthorn notiert waren.
    »Wir haben einen Achtzehnjährigen, der erstochen von der Freundin in der gemeinsamen Wohnung aufgefunden wurde. Laut unserem Rechtsmediziner wurde er zwischen achtzehn und zwanzig Uhr ermordet. Da er zuletzt lebend um kurz nach halb sieben gesehen wurde, verkürzt sich die Zeitspanne. Die Freundin war mit Freunden aus, die bestätigen, dass sie den ganzen Abend in einem Pub war. Eine Nachbarin hat am frühen Abend einen Streit zwischen dem Opfer und seiner Freundin gehört. Später hat sie Blutflecken im Flur entdeckt und -man mag es nicht glauben- weggewischt. Aber wir haben einen passablen Schuhabdruck vom Wohnungsflur. Hat jemand dazu

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