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Ein Kind, das niemand vermisst

Ein Kind, das niemand vermisst

Titel: Ein Kind, das niemand vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kody DeVine
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beginnt.«
     
     
     

9
     
    »Onkel? Was für ein Onkel?« Libby saß im Schneidersitz auf ihrem Bett, das graue Shirt voller Schokoflecken, die Jogginghose viel zu lang. Mit ihren verwuschelten Haaren sah sie aus, als hätten Cunningham und Haines das Mädchen gerade aus dem Schlaf gerissen. Es hatte sich heraus gestellt, dass Mrs. Conroy bereits mit den Abenddrinks begonnen hatte und vermutlich nicht einmal mehr den Wortlaut der Fragen verstand, die Haines ihr entgegen geschleudert hatte. Lallend war sie an die Tür gekommen, nur um sich im nächsten Moment hinter selbiger zu übergeben. Cunningham hatte auf dem Weg in Libbys Zimmer den Atem angehalten.
    »Wir möchten gerne den Namen deines Onkels. Der, der letztens hier bei euch war und ans Telefon gegangen ist, als Miss Miller angerufen hat, um zu sagen, dass Chloe krank sei und sie abgeholt werden müsse.
    Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte Libby verwirrt, dann verdunkelte sich ihr Blick. »Wir haben keinen Onkel. Mum hat keine Geschwister und Dad hat nur eine Schwester.«
    Haines warf Cunningham einen alarmierten Blick zu. »Und wer könnte deine Schwester abgeholt und sich als ihr Onkel ausgegeben haben?«
    Libby dachte einen Moment lang nach. Dann wurde sie plötzlich blass.
    »Es kann irgendein Freund gewesen sein, der gerade hier war. Vielleicht hat die blöde Lehrerin da was missverstanden.« Libby sprach plötzlich so schnell, dass sie fast ganze Silben verschluckte.
    »Und welcher Freund könnte das sein?«, fragte Haines.
    Libby zuckte die Schultern und griff nach ihrem Ipod. »Keine Ahnung. Fragen Sie Mum.«
    »Ist deine Mutter jeden Tag betrunken?«
    »Ist nicht so schlimm, ehrlich.«
    »Irgendetwas erzählst du uns nicht, stimmt es?«, fragte Cunningham mit ruhiger Stimme. Das Mädchen wich seinem Blick aus und drückte die Tasten an ihrem Ipod. »Ich weiß nichts.«
    »Wovor hast du Angst?«
    »Ich habe keine Angst. Lassen Sie mich einfach in Ruhe!«
    Cunningham räusperte sich. »Hat sich dein Vater schon gemeldet?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann wäre es besser du würdest erst einmal zu einer Freundin gehen.«
    »Ich bleib bei Mum. Sie bringt das fertig und rutscht noch in ihrer eigenen Kotze aus.«
    »Wieso ist dein Vater so schwer zu erreichen?«
    Libby zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht mal, was er genau macht und es ist mir auch egal.«
    »Weiß er, was hier so läuft?«
    »Na klar. Was meinen Sie, weshalb er nie hier ist.«
    »Und du hast keine Handynummer oder die Nummer des Büros-«
    »Doch, aber sein Handy ist immer aus und im Büro wissen die auch nix.«
    »Was glaubst du, was mit deiner Schwester passiert ist?«, fragte Cunningham, als er sich in dem Zimmer umsah. Gelbe Tapeten, die mit Postern von Schauspielern beklebt waren, einige hingen im Zimmer seiner eigenen Töchter. Eine Pinnwand, über dem Bett, auf dem ein einzelnes Fotos angepinnt war: ein blonder Junge, der breit in die Kamera grinste und dabei eine Reihe schiefer Zähne entblößte. Er vermutete, dass es sich um den verschwundenen Bruder handelte. Vor dem Fenster befand sich ein Schreibtisch, der mit leeren Pizzakartons, Chipstüten und Colaflaschen übersät war. In der Ecke hinter dem Kleiderschrank stapelte sich die Schmutzwäsche. Es roch nach verfaultem Obst und er vermutete, dass irgendwo Essensreste vor sich hin gammelten. Er empfand Mitleid mit Libby, die so leben musste und sich dennoch um ihre Mutter sorgte, auch wenn er diese Sorge nicht nachvollziehen konnte. Seine eigene Mutter war Alkoholikerin gewesen und hatte ihn regelmäßig mit dem Gürtel verprügelt, wenn sie ihn beschuldigt hatte ihren Sherry weggeschlossen zu haben. Mit vierzehn war er abgehauen, zu seinem Onkel, der auch kurz darauf seinen jüngeren Bruder zu sich geholt hatte.
    Libby kaute auf ihrer Unterlippe. Sie begann zu frösteln und kroch unter ihre Bettdecke.
    »Sie ist weg. Einfach weg.«
    »Wie dein Bruder, ja?«
    »Lassen Sie mich in RUHE!«, schrie sie und Tränen rollten über ihr Gesicht. »Verschwinden Sie und suchen Chloe, anstatt mich zu nerven!«
    »Habt ihr gar keinen Computer?«, fragte Haines, nachdem sie sich umgesehen hatte. Libby schüttelte den Kopf. »Keinen eigenen. Ab und zu dürfen wir Dads Laptop benutzen.Wir hatten einen eigenen, aber der ist kaputt gegangen und Dad kauft uns keinen neuen, weil er nichts von diesen Sozialen Netzwerken hält und Angst hat, dass uns lauter Kinderschänder anschreiben.«
    »Ist das denn mal passiert?«, fragte

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