Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kind, das niemand vermisst

Ein Kind, das niemand vermisst

Titel: Ein Kind, das niemand vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kody DeVine
Vom Netzwerk:
Couch. »Wo soll ich denn hin?«, fragte sie, als er sie in den Flur zerrte.
    »Nach Hause. Ist mir egal.«
    Tränen rollten über ihre Wangen. Sie begann zu zittern. »Hier!« Er drückte ihr ihren Rucksack in die Hand und schob sie vor die Tür. Bevor sie noch irgendetwas erwidern konnte, schlug er ihr die Tür vor der Nase zu. Und wieder war sie allein.  Laut schluchzend sackte sie am Treppengeländer zusammen.
    Die Tür wurde wieder geöffnet. »Hier, damit du nach Hause kommst. Geh zurück nach Hause!«
    Er warf ihr einen Geldschein vor die Füße. »Los! Hau ab! Hab keine Lust wegen so einem Mist in den Knast zu wandern! Geh! Oder ich schleif dich an den Haaren nach draußen!«
     

    Das anthropologische Institut der Universität befand sich in einem einfachen grauen Backsteinbau und wirkte neben der Bibliothek im neugotischem Stil ein wenig deplatziert. Vor zwanzig Jahren hatte es einen Brand gegeben und zwei angrenzende Gebäude waren komplett zerstört worden. Danach hatte man diese durch triste Backsteinbaubauten ersetzt und nun wirkte das Universitätsgelände wie ein Flickenteppich verschiedener Epochen.
    Auf den Treppen am Eingang saßen zwei Studenten und waren in ein dickes Buch vertieft. »Finde ich Dr. Woodstone hier?«, fragte Cunningham.
    Der kleinere der beiden schaute auf und nickte kurz. »Durch die Eingangshalle, dann rechts und die Treppe runter. Er ist gerade im Labor.«
    »Danke.« Zwei Stufen auf einmal nehmend marschierte er die Treppe hoch, durchquerte die Eingangshalle und fand Dr. Woodstone schließlich im Keller, in dem ersten Labor auf der rechten Seite. Ein modriger Geruch kitzelte in seiner Nase, aber er war sich nicht sicher, ob er sich das einbildete, nun wo er wusste, woran hier gearbeitet wurde.
    Cunningham bemühte sich nicht auf die Knochen zu starren, die nun in ihrer richtigen Anordnung auf dem Labortisch lagen, doch es fiel ihm schwer den Blick davon abzuwenden. Wer brachte ein kleines Kind um und vergrub es unter einem Gartenschuppen? Er wusste durch seinen Beruf natürlich, wozu Menschen fähig waren, doch einige Dinge überstiegen immer noch seine Vorstellungskraft. Und Kindesmord gehörte eindeutig dazu.
    »Kann noch nicht viel sagen.« Dr. Melvin Woodstone sah aus wie man sich einen zerstreuten Professor vorstellte. Schütteres, zerzaustes weißes Haar, eine Brille, die ihm immerzu von der Nase rutschte und einen leicht verträumten Blick. Auf dem Kragen seines Laborkittels waren deutliche Senfflecken zu sehen, und Cunningham fragte sich, wie der Mann bei seiner Arbeit überhaupt noch Appetit haben konnte.
    »Was können Sie denn sagen?«
    Dr. Woodstone ging um den Labortisch herum und drehte den Schädel vorsichtig zur Seite.
    Sehen Sie diese Bruchstelle hier? Dort wurde der Schädel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen. Keine Spuren von Heilung. Es ist also anzunehmen, dass es sich um die Todesursache handelt.«
    Cunningham nickte. »Kann das nicht auch durch die Arbeiter passiert sein, als sie auf die Knochen stießen?«
    Woodstone schüttelte energisch den Kopf. »Ich könnte Ihnen nun anhand eines faszinierenden Vortrages erklären, woran man das erkennt, aber ich nehme an, Sie würden bereits nach wenigen Sätzen gedanklich aussteigen.«
    Cunningham stimmte ihm insgeheim zu, dennoch missfiel ihm der Ton des Anthropologen. Unmittelbar fühlt er sich an seine Schulzeit erinnert. »Auf jeden Fall«, fuhr Dr. Woodstone fort, »handelt es sich hier eindeutig um eine Verletzung die perimortal erfolgte. Bei  dieser Art von Knochenbrüchen zum Beispiel weist die Bruchstelle durch das am und im Knochen vorhandene organische Material ein ganz anderes Muster auf als bei alten Knochen, wo kein organisches Material mehr vorhanden ist. Und sehen Sie hier, die Knochensplitter hier haben dieselbe Färbung wie die übrigen. Ich werde natürlich alles ausführlich in meinem Bericht aufführen.«
    »Können Sie sagen, mit welchem Gegenstand er erschlagen wurde?«
    »Das ist schwierig. Ich muss allerdings noch weitere Untersuchungen durchführen. Das braucht alles seine Zeit. Aber ich fürchte, ich werde wenn überhaupt, nur über die Waffe spekulieren können. Und ob Ihnen das wirklich hilft...«
    »Können Sie mir sagen, wann dieses Kind gestorben ist?«
    Der Anthropologe räusperte sich. »Also das ist ziemlich schwierig bei solchen Funden. Ich kann den Zeitraum eingrenzen auf einige Jahrzehnte, aber-«
    »Jahrzehnte?«
    »Mehr als zehn Jahre und weniger als 50. Nach

Weitere Kostenlose Bücher