Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kind, das niemand vermisst

Ein Kind, das niemand vermisst

Titel: Ein Kind, das niemand vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kody DeVine
Vom Netzwerk:
Ihr gefiel die Vorstellung nicht, in einem Keller zu wohnen, bei einem Mann, den sie nicht kannte. Aber alles war besser als nach Hause zu fahren. Bei dem Gedanken daran in den Bus zu steigen und womöglich ihm am Busbahnhof in Dunby über den Weg zu laufen, bekam sie eine Gänsehaut. Selbst wenn er nicht am Busbahnhof auf sie wartete. Spätestens zu Hause würde er sie aufspüren. Er wusste wo sie wohnte, er kannte ihre Schule. In Dunby war sie nicht sicher.

13
     
    Richies Freund wohnte am Stadtrand von Manchester in einem herunter gekommenen Einfamilienhaus, dessen Fassade an allen Ecken bröckelte. Die Fenster waren von Spinnennetzen übersät und innen durch schwere Vorhänge abgedunkelt.
    Chloe hatte ein mulmiges Gefühl, als Richie klingelte und kurz darauf ein fülliger Mann mit fettigen braunen Haaren in einem verdreckten Overall die Tür öffnete.
    »Richie Rich! Das ist ja mal 'ne Überaschung! Lange nicht gesehen! Wie läuft es?« Dann fiel sein Blick auf Chloe und er grinste so breit, dass eine Reihe schiefer, nikotinvergilbter Zähne zum Vorschein kam. »Hey Paul, alles fit? Das ist eine sehr gute Freundin von mir, die nicht nach Hause zurück kann«, sagte Richie und legte einen Arm und Chloes Schulter.
    »So so, dann kommt mal rein.«
    Im Haus roch es nach abgestandenem Rauch und schalem Bier. Überall lagen leere Pizzakartons und überquellende Aschenbecher herum. Chloe und Richie wurden von Paul  in die Küche geführt,  die fast nur aus dreckigem Geschirr zu bestehen schien. Der Herd und die Spüle waren beladen mit schmutzigen Tellern und Tassen und auf dem kleinen Küchentisch reihte sich Aschenbecher an Aschenbecher.
    »Nehmt doch Platz!« Mit einer schnellen Handbewegung fegte er zwei leere Zigarettenschachteln von der Sitzbank und ließ sich  mit einem selbstgefälligen Grinsen auf einen Stuhl fallen.
    Chloes Hals wurde trocken, als sie sich hinter den Tisch auf die Sitzbank quetschte, doch Richie lächelte ihr aufmunternd zu. »Wollt ihr was trinken?«
    »Nein, hab nicht lange Zeit«, sagte Richie. »Kann sie im Keller unterkommen, bei den Mädchen?«
    Paul grinste und hielt die Hand auf. »Dreißig Mücken.«
    Richie zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche und zählte die Geldscheine ab.
    »Sind nur drei Mädels da im Moment. Zwei Thais und eine Afrikanerin.«
    »Läuft das Geschäft nicht gut?«, fragte Richie und legte die Scheine in Pauls ausgestreckte Hand.
    »Lief schon mal besser. Die Zeiten sind hart. Was ist mit ihr, ist sie stumm?«
    Chloe zuckte zusammen, als Richie ihr über den Rücken strich. »Nein, nur schüchtern.«
    »Wie heißt du?«
    »Chloe.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Ich bin Paul. Sag mal Chloe, wie kommt es, dass so ein hübsches kleines Ding wie du nicht nach Hause will?«
    Sie zuckte die Schultern und wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie konnte schlecht die Wahrheit sagen. Aber angesichts der Bierdosenberge und leeren Schnapsflaschen konnte sie ihre trinkende Mutter ebenso wenig  als Grund nennen.
    »Normalerweise nehme ich keine Kinder hier auf. Ist zu riskant. Aber für Richie mache ich mal eine Ausnahme, denn er ist ein guter Freund und ich weiß, dass er Freunde nicht in die Scheiße reitet. Und er weiß hingegen, dass ich richtig böse werden kann. Du wirst dich doch benehmen, Kleine, hm?«
    »Klar wird sie das. Sie wird dir ein wenig im Haushalt helfen und sonst in ihrem Zimmer bleiben, nicht wahr Chloe?«
    Chloe nickte nur. Es war, als wäre ihre Sprache abhanden gekommen. Alles in ihrem Kopf begann sich zu drehen. Hier sollte sie bleiben? Bei diesem ekligen Typen, der aussah als verspeiste er kleine Kinder zum Frühstück? Doch wo sollte sie sonst hin? Sie konnte Richie nicht sagen, dass sie nicht hier bleiben wollte, er würde bestimmt wütend werden und ihr keinerlei Hilfe mehr anbieten. Und außer ihn hatte sie doch niemanden, an den sie sich wenden konnte. Einen kurzen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie ihren Vater anrufen sollte. Doch den Gedanken verwarf sie sofort wieder. Er war auf Geschäftsreise, aber sie wusste, dass das nicht stimmte.
    Er würde ihr sowieso nicht helfen. Sie war ihm egal geworden. Die wenige Zeit, die er zu Hause verbrachte, beachtete er sie gar nicht.
    Chloe spürte einen Anflug von Panik aufkommen, als Richie aufstand und zur Tür ging. Auf zittrigen Beinen folgte sie ihm. »Tschüss Kleine. Ich komme dich die Tage besuchen, okay?« Er strich ihr über den Kopf und drehte den

Weitere Kostenlose Bücher