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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Gefühl der Beklommenheit gerechtfertigt hätte. Alles war sauber, die Ausstattung gediegen, wenn auch nicht prächtig, und die Stewardessen in ihren gepflegten beigefarbenen Leinenkostümen mit blauem Käppi und goldblitzenden Dienstmarken waren nicht nur außergewöhnlich hübsch, sondern auch tüchtig und hilfsbereit, allerdings auf eine sehr kühle Art. Unter ihnen gab es saphiräugige Blondinen und dunkeläugige Brünette, die den Farbfotos in den Prospekten alle Ehre machten. Auch waren sie auf kaum merkliche Weise ein wenig anders und vielleicht sogar noch attraktiver als ihre englischen oder amerikanischen Kolleginnen, und Mrs. Harris konnte gut verstehen, als sie sich die Stewardessen so ansah, daß Mr. Lockwood sich in eine von ihnen verliebt hatte. Wenn Liz in natura ihrem Abbild auch nur annähernd entsprach, war das leicht zu begreifen. Die hübschen jungen Mädchen stimmten Mrs. Harris innerlich auf ihre Begegnung mit der unglücklichen, sich in Liebe verzehrenden Liz ein, und sie freute sich schon jetzt auf den Augenblick, in dem die traurigen, melancholischen Augen vor Glück aufleuchten würden.
    Selbst Mrs. Butterfield fand allmählich, nun, da sie im Flugzeug saß und die Erregung über das Vorhaben ihrer Freundin langsam abklang, Spaß an der Sache, und als die Stewardessen das Essen servierten — es gab sogar Kaviar, und alles schmeckte köstlich — , war sie fast bereit zuzugeben, daß die Russen zumindest auf kulinarischem Gebiet ihre Sache verstünden.
    Eine Stewardess schob einen Rollwagen heran und fragte: «Wünschen Sie Wodka, Wein, Bier oder Krim-Sekt?»
    «Alle Wetter!» sagte Mrs. Butterfield. «Kaviar und Champagner, und alles umsonst.»
    Selbst Mrs. Harris, sonst nicht so leicht zu beeindrucken, war von dieser Großzügigkeit angetan und sagte zu der Stewardess: «Ich möchte ein Gläschen von dem da», und sie deutete auf den Wodka. «Sieht aus wie Gin. Und zum Nachspülen vielleicht auch noch ein Glas Bier.» Sie wandte sich an ihre Freundin: «Na, Violet Butterfield, was sagst du jetzt zu deiner Urlaubsreise?»
    Nachdem sie mit Genuß ihren Kaffee geschlürft hatten und alle früheren Ängste vergessen waren, überkam die beiden Reisenden eine köstliche Müdigkeit. Sie schliefen sogar eine Weile, bis das veränderte Geräusch der Triebwerke ihnen ankündigte, daß sie in Kürze landen würden.
    Sobald das Flugzeug zur Landung ansetzt, in dem die Passagiere, eingeschlossen in mehrere hundert Tonnen Metall, die Tausende von Gallonen hochexplosiven Treibstoffs nicht zu erwähnen, scheinbar gegen alle Naturgesetze durch die Luft katapultiert worden sind, werden bei den meisten alle anderen Gedanken oder Empfindungen zurückgedrängt, und sie werden nur noch von einem Gefühl überwältigender Erleichterung beherrscht. Mrs. Harris und Mrs. Butterfield bildeten da keine Ausnahme.
    Und nach dem Aufsetzen der Maschine bricht während der langen, schwankenden Fahrt über die asphaltierte Rollbahn, ehe das Flugzeug endlich zum Stillstand kommt — der Vogel hat sich plötzlich in einen Bus verwandelt — , jene typische Geschäftigkeit vor Ende einer Reise aus: Brotkrümel werden abgeklopft, man zupft an seiner Kleidung herum, zählt die Gepäckstücke, sortiert die gelesenen Zeitungen aus, kurz, man bereitet sich darauf vor, sich wieder als Zweifüßler fortzubewegen. Auch unsere beiden Freundinnen schlugen die Zeit mit solchen Lappalien tot, als das Hauptgebäude des Flughafens vor ihnen auftauchte. Um die Maschine wogte ein lärmendes Durcheinander aus hohen Gangways, Tank- und Gepäckwagen und Bussen, während gewichtig aussehende Männer in blauen, mit Verdienstorden oder goldenen Rangabzeichen geschmückten Uniformen, einige uniformierte junge Mädchen und etwa ein halbes Dutzend schlicht gekleideter Frauen, jung bis mittleren Alters, darauf warteten, an Bord zu kommen.
    Endlich standen die Räder still, die Triebwerke seufzten noch einmal auf, bevor sie flüsternd verstummten, und während die draußen Stehenden auf die Gangway zusteuerten, sagte die vorn im Mittelgang postierte Chefstewardess durchs Mikrophon: «Meine Damen und Herren! Bitte alle herhören! Die Teilnehmer der Gruppenreisen werden gebeten, auf ihren Plätzen sitzen zu bleiben, Ihr Intourist-Reiseleiter wird Sie entsprechend der gebuchten Pauschalreise aufrufen. Dann können Sie die Maschine verlassen.»
    Mrs. Harris spürte, wie ihr ein kleiner kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Sie konnte an nichts anderes

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