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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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ausstiegen, fanden sie sich unerwartet inmitten jener verwirrenden Atmosphäre, die vor dem Eingang eines jeden internationalen Flughafens herrscht: zuklappende Autotüren, vorbeirumpelnde Gepäckwagen, schreiende Kinder, unverständliche Lautsprecherdurchsagen - die ganze lärmende Unruhe an der Peripherie des modernen Flugverkehrs. Doch im Flughafengebäude selbst, wo die verschiedenen Präliminarien vor Antritt einer Flugreise — wie Wiegen des Gepäcks und Ausgabe der Bordkarten — und die Unsicherheit über die vielen Hinweisschilder ohnehin eine hektische Stimmung erzeugen, war alles noch weit verwirrender.
    Denn es war gerade eine Zeit heftigster Bombenattentate von seiten der I.R.A. in London, als die beiden Damen nach Moskau flogen. Es konnte sein, daß ein gewöhnlicher Brief eine Bombe enthielt, daß in den Warenhäusern an der Oxford Street Brandbomben gelegt, in Hauseingängen harmlos aussehende Pakete gefunden wurden, die mit tödlicher Gewalt explodierten, und niemand wußte zu sagen, ob ein am Straßenrand geparkter Wagen nicht plötzlich mit Donnergetöse in die Luft flog. Aktionen bewaffneter Stadtguerillas und Sabotageakte waren an der Tagesordnung. In Heathrow wimmelte es förmlich von Polizisten, Kriminal- und Sicherheitsbeamten.
    Mrs. Harris nahm die geladene Atmosphäre sofort wahr, sagte jedoch nichts, um ihre Freundin nicht noch mehr zu beunruhigen, doch Violet, gleichermaßen ein Kind aus dem Volk, besaß ihre eigenen, präzise funktionierenden Seismographen und fragte, kaum daß sie die Halle betreten hatten: «Ada, was ist hier los? Warum stehen hier so viele Polizisten rum?»
    Sie steuerten auf den Zeitungsstand zu, um sich die Morgenblätter zu kaufen, doch bevor Mrs. Harris ihr irgendeine beruhigende Antwort geben konnte, kam es unglücklicherweise zu einem Zwischenfall mit einem jungen Mann in schmuddeligen Jeans und einer noch schmuddeligeren Lederjacke.
    Bärtig, mit langen, ungepflegten Haaren und wildem Blick, trug er in der Hand einen jener mit der britischen Flagge bedruckten Einkaufsbeutel, von denen in letzter Zeit in der Presse immer wieder die Rede war. Wie aus dem Nichts standen plötzlich zwei kräftige Kriminalbeamte neben ihm. Während der eine seine Dienstmarke vorzeigte, sagte er in sehr bestimmtem Ton: «Entschuldigung, Sir, dürfen wir einen Blick in ihre Tüte werfen?»
    Violet piepste: «Mein Gott, sieh dir das an! Was ist denn da los?»
    Der junge Mann übergab den beiden Detektiven widerspruchslos die Tragetüte — sie enthielt zwei Äpfel, eine halbe Salami, zwei schmutzige Hemden, vier Paar ebenso schmutziger Socken, ein zweites Paar Segeltuchschuhe sowie einige Toilettensachen. Der Beamte gab ihm die Tüte wieder zurück. «Entschuldigen Sie, Sir, reine Routinesache. Sie wissen schon.»
    «Wonach suchen die?» fragte Violet. Mrs. Harris, inzwischen auch schon etwas nervös, hätte am liebsten geantwortet: «Nach Bomben, Flugzeugentführern, I.R.A.-Mitgliedern und Arabern. Denn in diesen Tüten schleppen die die Bomben mit sich rum», doch da sie das ängstliche Gesicht ihrer Freundin kannte, unterließ sie es und bemerkte lediglich: «Sah doch irgendwie verdächtig aus, der Kerl.»
    Mrs. Butterfield war noch immer außerstande, den Brief, den ihre Freundin mit sich herumtrug, gelassen hinzunehmen; sie stellte ihn inzwischen auf eine Stufe mit den Bomben, nach denen die Polizei so eifrig fahndete, und so fing sie erneut davon an. «Ada, stell dir bloß vor, die beiden Polizisten hätten verlangt, du sollst deine Handtasche aufmachen, und sie hätten den Brief gefunden! Du wärst in Handschellen abgeführt worden, und zwar in Null Komma nichts.»
    Mrs. Harris lag es auf der Zunge zu sagen: «Dummes Zeug, Vi! Wir sind doch hier nicht in Rußland», unterließ es aber, da das, was sich hier abspielte, auch nicht gerade als typisch britisch zu bezeichnen war. Außerdem hielt Vi sich immer noch dran.
    «Los, Ada, zerreiß ihn und wirf ihn weg. Halte dich aus der Sache heraus. Da drüben ist ein Papierkorb. Wenn du das Mädchen triffst, kannst du ihr das über ihren Freund doch alles mündlich erzählen.»
    Um des lieben Friedens willen war Mrs. Harris einen Augenblick lang fast bereit, dem Vorschlag zu folgen, doch der Zufall wollte es, daß zwei in der Halle umherschlendernde Beamte neben dem drahtgeflochtenen Papierkorb stehenblieben und ihren prüfenden Blick über die Menschen gleiten ließen. Was hätte einer wohl in Zeiten zu gewärtigen, wo man sich schon

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