auf russisch an: «Spioninnen? Sie müssen den Verstand verloren haben. Sie haben eine englische Aristokratin festgenommen, Lady Putz. Die für den Internationalen Kulturaustausch zuständige Abteilung forscht seit der Ankunft der Dame vergeblich nach ihr, und ich habe den Auftrag, sie zu betreuen.» Sie fuhr, zu Ada gewandt, auf englisch fort: «Liebe, verehrte Lady Putz, bitte verzeihen sie tausendmal! Irgend jemand muß Ihre Papiere durcheinandergebracht haben, doch nun, da ich Sie gefunden habe, wird alles gut. Kommen Sie, wir müssen uns beeilen — Sie sind zu einem Empfang des Auswärtigen Amtes eingeladen, der in einer Stunde beginnt. Es bleibt Ihnen gerade noch Zeit zum Umziehen.»
Die Leute vom KGB, die ihr Problem schon gelöst glaubten, waren so perplex, daß der Oberst, statt das junge Mädchen hinauszuwerfen oder verhaften zu lassen, fragte: «Was für einen Unsinn reden Sie da von wegen englische Aristokratin? Wie kommen Sie überhaupt dazu, sich in die Angelegenheit des KGB einzumischen? Die beiden sind höchst gefährliche...»
Offensichtlich machten seine Worte nicht den geringsten Eindruck auf das junge Mädchen. Entweder war sie außergewöhnlich mutig oder ganz fest von ihrer Sache überzeugt — vielleicht auch beides denn nun verlor sie die Beherrschung und sagte in schneidendem Ton: «Nachdem Sie es bis zum Obersten gebracht haben, darf ich annehmen, daß Sie irgendwann auch Lesen gelernt haben. Also lesen Sie bitte das hier — » und sie knallte die Papiere, die sie in der Hand hielt, auf den Tisch. Der Oberst, der Inspektor, der Leiter des Polizeireviers und der Dolmetscher beugten sich darüber. Obenauf lagen die Visaanträge von Ada Harris, Lady Putz, und ihrer Zofe Violet Butterfield, für einen fünftägigen Aufenthalt in Moskau, die mit allen möglichen Stempeln und Schnörkeln versehen waren, russischen Versionen für
, oder , und den Vermerk «bevorzugt zu behandeln) trugen. Unter den Papieren befand sich ein Schreiben der Abteilung für Internationalen Kulturaustausch, in dem es hieß, Ada Harris Lady Putz sowie ihre Zofe seien bevorzugte Gäste der Sowjetunion, denen stets mit größter Zuvorkommenheit zu begegnen sei. Beide Papiere trugen das Konterfei von Ada Harris Lady Putz und das ihrer Zofe Violet Butterfield.
Während die gewichtigen Dokumente prüfend hin und her gedreht und gelesen wurden, unterbrach ein leichtes Rascheln die Stille, und Mrs. Butterfield murmelte: «Was soll das alles? Wer ist diese Lady Putz?» Mrs. Harris zischte nur: «Halt den Mund!»
Der Oberst wirkte plötzlich besorgt und schwieg. Die Dokumente waren zweifellos echt. Er sagte: «Hier muß ein Irrtum vorliegen. Wir wissen Bescheid über diese beiden Damen. Und außerdem will ich Ihnen sagen, niemand, der seine fünf Sinne beisammen hat, spricht in diesem Ton mit Angehörigen des KGB. Die Sache wird noch ein kleines Nachspiel haben.»
Die junge Frau brauste erneut auf, zwar auf russisch, das Ada nicht verstand, doch sie erriet, daß Violet und sie weiterhin energisch in Schutz genommen wurden. Mrs. Harris hatte verstohlen einen Blick auf die Papiere geworfen und — gewitzt wie sie war — sofort gesehen, daß man nur zwei Worte umzustellen brauchte, um aus zu machen. Und damit wies das Formular mit dem Paßfoto sie eindeutig als Mitglied der englischen Aristokratie aus, dem bevorzugte Behandlung zustand.
«Irrtum!» rief das junge Mädchen voll Zorn. «Den Irrtum haben Sie begangen! Ich habe keine Zeit, hier noch lange zu debattieren. Meine Aufgabe ist es, die Damen zu dem Empfang zu geleiten. Es ist Ihre Angelegenheit, ob Sie diese Papiere ignorieren wollen oder nicht. Doch falls das Polizeipräsidium davon erfährt...» Sie wandte sich auf englisch an Ada und Mrs. Butterfield. «Der Wagen wartet draußen. Wir holen zuerst Ihr Gepäck, und dann bringe ich Sie gleich ins Hotel , wo Zimmer für Sie reserviert wurden und wo der stellvertretende Vizekommissar der Abteilung für Internationalen Kulturaustausch Ihnen persönlich sein Bedauern über den Zwischenfall ausdrücken wird.» Sie nahm die Papiere vom Tisch und bedeutete Mrs. Harris und Mrs. Butterfield, ihr zu folgen. «Kommen Sie», sagte sie, «wir gehen.»
Der Oberst mußte sich, wenn auch zögernd, geschlagen geben. Er repräsentierte eine der mächtigsten und gefürchtetsten Organisationen der Welt, sozusagen einen Staat im Staate, verantwortlich allein den Spitzen der Partei. Doch er