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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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schon spionieren wollen, wo man eine Wasserleitung nicht von einer elektrischen Leitung unterscheiden kann? Und dann diese Operettenfiguren, die uns auf Schritt und Tritt folgen... jedes sechsjährige Kind merkt das doch, daß die sich extra für diese Gelegenheit verkleidet haben. Sie wollen also meinen Namen wissen? Schön. Ich heiße Violet Mabel Ernestine Butterfield, und Sie können mich alle mal...»
    In letzter Sekunde konnte Mrs. Harris gerade noch verhindern, daß Violet den Satz vollendete. Sie legte die Hand auf den Arm ihrer Freundin und sagte: «Violet!» Ihr war nicht entgangen, daß der Oberst sich immer mehr in seinen Zorn hineinsteigerte. Er ließ die Faust mit Donnergetöse auf den Tisch niedersausen und schrie: «Schweigen Sie! Sie stehen hier als Angeklagte! Wir stellen die Fragen, nicht Sie!» Er hieb noch einmal mit der Faust auf den Tisch — dieses Mal traf sie einen dicken Stapel von Akten und Dossiers — und wetterte weiter: «Passen Sie auf, daß wir Sie nicht für den Rest Ihres Lebens in ein Arbeitslager stecken. Wir wissen, daß Sie Spioninnen sind!»
    Jetzt fuhr er Ada an: «Ihr Name?»
    Da sie merkte, daß der Oberst bestimmt nicht geneigt war, sich eine zweite Strafpredigt anzuhören, antwortete sie: «Ada Millicent Harris.»
    «Geben Sie mir Ihre Handtasche. Die Leibesvisitation kommt später.»
    Violet Butterfield wurde grün im Gesicht. Von Kampfeslust war bei ihr nichts mehr zu bemerken, denn sie wußte, was sich in der Handtasche befand — ebenso wie Ada Harris, die dachte: Nun ist es soweit. Wir sind verloren. Was für eine Närrin ich doch war.
    Sie trug Mr. Lockwoods angeblich zärtliche Botschaft an seine Liebste nach wie vor bei sich, aber nur der liebe Gott wußte, ob es sich dabei nicht in Wahrheit um einen Aufruf zum Umsturz handelte. Wenn die einen in Moskau schon deswegen in Gewahrsam nahmen, weil man seine Stimme zum Lobe Gottes erhob, dann konnte man sich bei einem schlimmeren Vergehen wahrhaftig auf alles gefaßt machen.
    Selbst die schwache Hoffnung, daß ihre List Erfolg haben könnte, war nun verschwunden. Ada hatte sich nämlich auf dem Briefumschlag allerlei notiert, zum Beispiel «Ansichtskarten an Frank, John und Tante Mary schickem, , , , , dazu verschiedene Adressen in London und noch einige andere Gedächtnisstützen, die dem Umschlag das Aussehen eines Notizzettels oder einer Einkaufsliste verliehen. Aus allem, was seit ihrer Ankunft geschehen war — die Durchsuchung ihrer Sachen, die ständige Überwachung und nun die Verhaftung-, ging hervor, daß die Situation weit ernster war, als sie gedacht hatte. Die Geheimdienstler, die Violet und sie beschattet hatten, mochten Operettenfiguren sein, doch diese unfreundlichen Männer an diesem unfreundlichen Ort waren es nicht. Was sie, Ada, da auf den Umschlag gekritzelt hatte, würde sie keinen Moment irreführen — aber selbst wenn: der Umschlag war verschlossen, und sie würden ihn ganz bestimmt öffnen. Violet und sie waren verloren.
    Der Oberst hatte den Arm bereits nach der Handtasche ausgestreckt, doch das Geräusch zuschlagender Eisentüren und sich nähernder Schritte, begleitet von einem lauten Redeschwall, aus dem die Stimme einer jungen Frau deutlich herauszuhören war, ließ ihn innehalten. Der Lärm wurde immer lauter. Die Tür flog auf, und auf der Schwelle stand ein wunderschönes, junges Mädchen mit der Intourist-Anstecknadel am Jackenrevers. Auf ihrem jugendfrischen Gesicht lag ein Ausdruck von tiefer Bestürzung. Alle Köpfe drehten sich nach der Fremden um, deren Schritt kurz stockte, doch schon im nächsten Augenblick stürzte sie ins Zimmer und warf sich vor Mrs. Harris auf die Knie.
    «Lady Putz!» rief sie aus. «Ich bin froh, daß ich Sie endlich gefunden habe. Was ist geschehen? Wieso sind Sie hier?» Sie erhob sich, faßte, plötzlich bleich vor Zorn, die KGB-Funktionäre und die anwesenden Polizisten ins Auge und herrschte sie auf russisch an: «Was hat das zu bedeuten? Sie scheinen nicht zu wissen, um wen es sich handelt!»
    Ein nicht sehr aufgeweckter Polizist erwiderte: «Die beiden gehören einer verbotenen religiösen Sekte an und sind festgenommen worden, weil...»
    Der KGB-Oberst sagte: «Ach was. Das sind höchst gefährliche Spioninnen! Wer sind Sie überhaupt, und wie kommen Sie dazu, sich hier einzumischen?»
    Nicht im geringsten eingeschüchtert, sondern eher noch aufgebrachter, fuhr das junge Mädchen ihn

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