Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
würden es doch nicht verstehen», erwiderte Sir Wilmot, «aber das ist in der Politik etwas äußerst Nützliches. Wir wollen’s uns zunutze machen.» Er dachte einen Augenblick nach und murmelte dann halb zu sich selbst: «Ihre Ideen sind natürlich ganz unmöglich, aber sie hat das gewisse Etwas, das einen wünschen läßt, daß sie möglich wären.»
Es war kein Zweifel, Sir Wilmot meinte es ernst, und Aldershot begann sich innerlich schon auf die Schwierigkeiten vorzubereiten, denen er begegnen würde, wenn er die Direktiven seines Chefs ausführte, und zu überlegen, wie er mit ihnen fertig werden könnte. «Aber wird sie es tun? Haben Sie mit ihr gesprochen?»
«Ich habe ihr den Floh ins Ohr gesetzt», sagte Sir Wilmot. «Das übrige müßt ihr tun.»
«Aber wenn die anderen sie nun nicht wollen? Sie wissen, wie Wahlkomitees sind und wie schwer es ist, sich ihnen gegenüber durchzusetzen, zumal wenn sie glauben, sich bevormundet zu fühlen. Außerdem werden wir Schwierigkeiten mit Charlie Smyce bekommen. Chatsworth-Taylor ist sein Mann.»
Sir Wilmots Gesicht verdüsterte sich, und er rief: «Charlie Smyce wird tun, was ich sage. Ich weiß Bescheid. Ich werde den Plan für die Wahlkampagne entwerfen, die für sie geführt werden soll.»
«Aber das Komitee?» beharrte Aldershot, und diesmal dachte Sir Wilmot gründlich nach, denn jene unabhängigen Komiteemitglieder in den Wahlbezirken, die angehende Kandidaten auf Herz und Nieren prüfen und in deren Händen die endgültige Entscheidung darüber liegt, ob der Kandidat geeignet ist oder nicht, lassen sich nicht mit Phrasen abspeisen. Sir Wilmot kannte sie nur zu gut. Sie waren eigensinnig, selbstherrlich, oft unberechenbar. Sie ließen sich nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. Sir Wilmot warf im Geist eine Münze in die Luft, rief Kopf, und siehe da, der Kopf lag oben. Es gab in jeder Art von politischem Handel, Plan oder Komplott den Punkt, wo man mit Unvorhersehbarem rechnen mußte und einem nichts übrigblieb, als ein Risiko einzugehen. Und so war es offenbar hier. Beim Rückblick auf die Ereignisse der letzten Stunde und die Sache, die er ausgeheckt hatte, wirkte das alles so verrückt, daß er sich fragte, ob er nicht noch unter den Nachwehen des Fiebers leide, das er in der Nacht gehabt hatte. Aber dann erschien auf seinem inneren Fernsehschirm wunderbar klar das Bild von Mrs. Harris, die dramatisch ihren Besen wie eine Fahne schwang. Er hörte ihren Schlachtruf «Leben und leben lassen» und wußte, daß er weitermachen würde.
«Das Komitee soll sich mit ihr unterhalten», sagte er, «und sagen Sie Charlie Smyce, er soll den Mund halten.»
«Und wenn sie sich weigert? So eine Frau könnte einfach Angst davor haben.»
Sir Wilmots Gesicht entspannte sich wieder, und er lächelte sogar, als er anwortete: «Haben Sie je eine Putzfrau gesehen, die sich vor irgend etwas oder irgend jemand fürchtet? Außerdem ist es Ihre Aufgabe, sie zu überzeugen. Das gehört zu Ihrem Beruf. Sie hat mich gerade bemuttert wie eine Katze eins ihrer Jungen. Wenn Sie ihr einreden können, daß sie gebraucht wird, wird die Sache ganz einfach sein. Prägen Sie es sich gut ein: East Battersea, Willis Gardens 5. Ich würde vorschlagen, daß Sie heute abend nach Ihrem Gespräch mit Smyce zu ihr gehen und erst einmal mit ihr reden. Sie rufen mich dann morgen draußen an und lassen mich wissen, was Sie von ihr halten und wie alles verlaufen ist.»
Als Aldershot schon an der Tür war, hielt ihn Sir Wilmot noch einen Augenblick fest. «Ach, und übrigens, Phil», sagte er, «wenn das Komitee das Thema Außenpolitik anschneiden will, dann verhindern Sie das. Auf dem Gebiet ist sie nicht sehr beschlagen. Sorgen Sie dafür, daß sie sich mit ihr über die Lage im Lande unterhalten.»
«Sir Wilmot», und es war fast ein letzter Schrei der Verzweiflung Aldershots, «glauben Sie wirklich, wir können es so weit bringen, daß sie gewählt wird?»
«Gewählt?» wiederholte Sir Wilmot. «Natürlich nicht! Aber vielleicht gelingt es uns, Major Kempton in Fairford Cross durchzubringen.»
Philip Aldershot machte ein Gesicht, als traue er seinen Ohren nicht. Er schloß die Tür hinter sich, und während er durch die Straße ging, dachte er, daß Major Kempton nicht die kleinste Chance im stockkonservativen Fairford Cross hatte.
Die Mittelpartei, die darum so hieß, weil sie die Rechte und die Linke verwarf, hatte sich zwischen dem Abstieg der liberalen Regierung und dem
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