Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
daß die Gläser klirrten. «Mein Gott, seien Sie nicht so...» Er fing sich gerade noch zur rechten Zeit, und es wurde ihm klar, daß er zu dem Mann sprach, den er als den künftigen englischen Premierminister ins Auge gefaßt hatte. «Ich meine, ich habe Ihnen schon einmal gesagt, er hat nie erwartet, daß die alte Tante gewählt wird. Er hat da wieder mal Hintergedanken. Ihnen hat er jedenfalls übel mitgespielt. Wollen wir das ruhig hinnehmen?»
«Ich glaube nicht», antwortete Chatsworth-Taylor. Aber als Gentleman hatte er doch noch Zweifel. «Nun... wenn Sir Wilmot sagt...»
«Betrachten Sie es einmal so», sagte Smyce vertraulich. «Die Frau wird ebensowenig gewählt werden wie der Mann im Mond. Jetzt, da wir aus dem Rennen sind, wer wäre Ihnen als Sieger lieber, Labour oder Tory?»
Eine der vielen Theorien Chatsworth-Taylors war, daß die Labourparty, wenn es ihr je gelang, den aus Kommunisten und ihren Gesinnungsgenossen bestehenden linken Flügel abzustoßen, mit den Liberalen und der Mittelpartei eine Koalition bilden würde, die sich gewaschen hätte. «Labour natürlich», antwortete er.
«Da haben Sie’s», sagte Smyce triumphierend, «die werden in East Battersea den Sitz erobern. Machen Sie mit mir gemeinsame Sache, und wir werden dem Sir Superklug-Corrison eins auswischen.»
Zum erstenmal empfand Chatsworth-Taylor Selbstmitleid wie Smyce und bestellte zwei weitere Whisky, um es zu ersäufen. Schließlich war seine politische Karriere zum Teufel, und obendrein durch eine unwissende, ungebildete Putzfrau, die, nach ihrer Rede zu schließen, wahrscheinlich nicht einmal die Volksschule zu Ende besucht hatte. Alles in allem war es ein übles Theater.
Da Sir Wilmot an Sonntagen Bayswaters Dienste nicht in Anspruch nahm, konnte dieser spät am Samstagabend mit dem Zug in die Stadt zurückkehren, um den Frieden seiner hübschen kleinen Wohnung zu genießen und sich um seine «Frau» kümmern.
Nachdem er sich an diesem besonderen Sonntag den ganzen Morgen — und einen guten Teil des Nachmittags — ihrer liebevoll angenommen hatte, saß er jetzt ohne Jacke und Schuhe, die Füße auf dem Tisch, eine brennende Pfeife im Mund, und las mit Vergnügen noch einmal das Kabel und den Brief, die er bei seiner Ankunft zu Hause gestern abend vorgefunden hatte.
«Die Frau», um die er sich hatte kümmern müssen, war ein Rolls-Royce aus dem Jahre 1936, der ihm gehörte und der dank seiner treuen Pflege immer noch in bestem Zustand war. Es war ein altes Modell mit riesigen Scheinwerfern und einer besonders großen Kühlerhaube aus jener Zeit, ehe die Designers verrückt geworden waren und sie so verkleinert hatten, daß der Rolls bis auf das Emblem vorn sich kaum von anderen Autos unterschied.
Bayswater hatte ihn für eine lächerlich geringe Summe von dem ursprünglichen Besitzer, den er gefahren hatte, erworben, und er war eben seine «Frau».
Jetzt stand «sie» sicher geborgen in seiner Garage. Kein Stäubchen war an ihr zu sehen, und der Motor war noch genauso untadelig wie vor achtundzwanzig Jahren, als «sie» die Fabrik verlassen hatte, und so konnte Bayswater sich ganz der Freude über Kabel und Brief hingeben, die er bekommen hatte.
Das Kabel lautete:
«Meine Frau und ich fliegen Montag 7. nach London Wohnen Savoy Bitten uns dort anzurufen Stop Halten Sie Festung
Joel Schreiber.»
Der Brief des Marquis, in den sein Wappen eingeprägt war, lautete:
«Mein lieber Bayswater,
ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief und den Beweis Ihrer Anteilnahme an Mrs. Harris. Ich empfinde genauso wie Sie für diese prächtige Frau. Es trifft sich glücklicherweise so, daß ich ab 7. zu der Vier-Mächte-Botschafter-Konferenz in London sein werde, und ich bitte Sie, mich, wann es Ihnen paßt, entweder in der Botschaft oder in meinem Haus am Chester Square aufzusuchen.
Herzlichst
Ihr Chassagne
P. S. Haben Sie die Schreibers benachrichtigt? C.»
7
«Nicht daß Ada Harris eine Närrin wäre», schloß Bayswater seinen Bericht. «Sie wissen das, Euer Exzellenz, und Sie auch, Sir und Madam», womit er sich an den Marquis de Chassagne und Mr. und Mrs. Joel Schreiber wandte. «Oder daß sie auch nur eitel ist oder sich großtun will. Nichts von alledem. Aber sie hat eben ein so großes Herz, und sie haben sie damit hinters Licht geführt, daß sie sagten, sie könne, wenn sie ins Parlament käme, sehr viel für jeden tun. Sie wissen ja, wie Frauen sind, wenn sich ihnen eine Chance bietet, ihre Meinung zu sagen
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