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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Fernsehkamera, dieses unglaubliche Instrument, das einfach nicht lügen kann, eine ehrliche, anständige, hart arbeitende Frau, die gelebt und gelitten hatte. Sie mochte in vielem versagen, mochte menschliche Schwächen haben, aber das neugierige Objektiv entdeckte keine dunklen Winkel, keine Heuchelei oder Verschlagenheit, nur eine leidenschaftliche Aufrichtigkeit.
    Noch ehe die Sendung vorbei war, läuteten die Telefone, und die Telefonzentrale im Studio war überlastet. Die meisten der Anrufenden gratulierten ekstatisch, aber einige schrien auch: «Unfair! Unfair! Das ist nicht fair!», und die Zentralen anderer Parteien protestierten wütend. Das ungeschriebene Gesetz, das nicht genehmigte politische Reden von Kandidaten im Fernsehen verbot, war übertreten, verletzt, gebrochen worden. Wer hatte diesen Frevel erlaubt? Wieso war gerade ihr das gelungen? Was würde man dagegen unternehmen?
    Das Geschrei fand in den Zeitungen Widerhall; empörte Briefe wurden geschrieben, denen Antworten zugunsten von Mrs. Harris folgten. Zwei Lager bildeten sich, und es schien wirklich der Teufel los zu sein.
    Dennoch, die Putzfrau, die auf der Basis «Leben und leben lassen» für einen Sitz im Parlament kandidierte, hatte im Sturm die Herzen von Millionen von Hausfrauen gewonnen.
    Hugh Coates telefonierte mit Sir Wilmot Corrison, der immer noch in seinem Landhaus im Bett lag: «Hallo, Corrison, sind Sie’s? Hören Sie mal, wie können Sie mich so hintergehen? Wie konnten Sie diese Frau im Fernsehen auf treten lassen? Das wird Sie teuer zu stehen kommen.»
    Wenn auch Sir Wilmots Fieber inzwischen weg war, so krächzte seine Stimme leider immer noch, und dieses Krächzen machte Coates noch wütender, bis Lady Corrison schließlich den Hörer ergriff und sagte: «Mein Mann kann nicht am Telefon sprechen, Mr. Coates, aber er läßt Ihnen sagen, Sie brauchten sich keine Sorgen zu machen, es käme alles wieder in Ordnung. Sie wollen doch Labour Stimmen abjagen?»
    «Ja, verdammt», explodierte Coates, «aber ich will nicht, daß wir selber welche verlieren. Sogar meine Frau hat gesagt, sie wünschte, sie könnte für diese Dame stimmen.» Und hängte ein.
    Wenn Sir Wilmot auch angeordnet hatte, «kein Fernsehen», nahm er an, Smyce habe geglaubt, sie brauchten einen kleinen Extradruck in dem Bezirk, und er war sehr zufrieden über das, was er für die Schläue seines Wahlagenten hielt.
    Am Dienstag darauf, genau sechs Tage vor der Wahl, als der Lärm über die Sendung auf dem Höhepunkt war, geschah das Sensationelle, das jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf den Britischen Inseln die Pros und Kontras vergessen ließ und das Land so einig machte, wie es seit der Kriegserklärung nicht gewesen war.

    Einer der Gründe für den Erfolg der nationalen französischen Zeitung L’Etoile und warum sie auf dem Frühstückstisch jedes dritten Franzosen in der Republik lag, war die Kolumne eines Mannes, der mit Comte St. Juste zeichnete und kein Blatt vor den Mund nahm. Sie war sozial, politisch, wirtschaftlich, philosophisch und — frech, und nichts, was in der Welt geschah, entging ihrem Verfasser. Er schonte niemanden, auch Regierungen und Staatsoberhäupter nicht, die ausländischen ebensowenig wie das eigene. Kaum eine Woche verging, ohne daß es den Zorn irgendwelcher Menschen erregte, auch den von Franzosen, die seine begeisterten Leser waren. Aber wie alles, was zur Gewohnheit wird, hätten sie das um nichts in der Welt entbehren mögen.
    Die wirkliche Identität des Comte St. Juste war ein streng gehütetes Geheimnis, nicht nur weil diese Mystifikation wertvoll war, sondern weil man den Schreiber davor bewahren wollte, gelegentlich von einem aufgebrachten Opfer verprügelt zu werden, oder weil man ihm Repressalien seitens der Regierung ersparen wollte. Nicht einmal die Mitarbeiter der Zeitung wußten, wer der Autor war. Manche tippten auf M. de Latocque, den Herausgeber, aber der stritt es natürlich standhaft ab. Es genügt zu sagen, daß die tägliche Kolumne das erste war, was nicht nur die Abonnenten, sondern auch diplomatische Kreise und Herausgeber ausländischer Zeitungen lasen.
    An dem betreffenden Morgen lasen die Franzosen, was «St. Juste» mit einem zufriedenen und amüsierten Lächeln zu sagen hatte. Der Autor hatte einige Wunderlichkeiten der englischen Politik aufs Korn genommen, die durch die bevorstehenden britischen Wahlen ans Licht gekommen waren. St. Juste war dafür bekannt, daß er den britischen Löwen gern

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