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Ein kleiner Biss

Ein kleiner Biss

Titel: Ein kleiner Biss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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fragte Marius und sah mich irritiert an.
    „Du hast gesagt, dass du alles dafür geben würdest, ein normaler Wolf zu sein. Warum kein Mensch?“
    Marius stutzte, runzelte die Stirn und überlegte kurz, bevor ihm ein Grinsen übers Gesicht huschte. „Auch wenn das für dich bestimmt merkwürdig klingt, aber ich bin gerne ein Wolf. Auf diese Sache mit dem Einzelgänger könnte ich verzichten, aber ich trauere dem Leben als normaler Mensch nicht nach. Menschen haben für die Welt, in der sie leben, kaum mehr als einen schnellen Blick übrig.“ Er sah verträumt aus dem Fenster. „Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schön das ist, als Wolf durch den nächtlichen Wald zu laufen, der in den wenigsten Stunden, wenn es richtig dunkel ist, nur uns Tieren gehört.“ Mein Blick fiel unwillkürlich auf das Gemälde gegenüber an der Wand. „Ich habe es gemalt.“
    Ich sah zurück zu ihm. Vollkommen überrascht. „Du?“
    Marius nickte lächelnd. „Aus meiner Erinnerung heraus, nachdem ich das allererste Mal bewusst als Wolf in der Nacht laufen war.“
    „Es ist wirklich schön“, murmelte ich, obwohl 'schön' nicht ganz passte, aber mir fiel kein anderes Wort ein, um das Bild besser zu beschreiben. Ich sah wieder auf das Gemälde. „Wo liegt der Wald?“
    „Kanada. In der Nähe von Vancouver.“
    Ich hatte keine Ahnung, was mich dabei ritt, als die Frage in meinem Kopf auftauchte, aber ich konnte nicht anders als sie zu stellen. „Zeigst du ihn mir irgendwann mal?“
    „Ja.“ Marius lächelte mich an, ich lächelte zurück.
     
    Und dann war er auf einmal da. Der Mond. Ich konnte ihn vom Bett aus zwar nicht sehen, aber dafür sah ich den hellen Schein, den er auf den Boden des Zimmers warf. Ich hielt vor Schreck die Luft an, bis mir klar wurde, wie lächerlich das war. Also sah ich zu Marius und hätte beinahe losgelacht, denn er sah mich mit einem Blick an, als wäre ich eine scharfgemachte Sprengladung, die jeden Augenblick in die Luft gehen könnte.
    Stattdessen passierte nichts. Rein gar nichts.
    Kein wachsendes Fell, keine Reißzähne und kein Geheule.
    Ich blieb ein normaler Mensch. Wie ich seit über dreißig Jahren einer war. Ich wusste zuerst nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein sollte, dass ich mich nicht in einem Wolf verwandelt hatte, aber nach einiger Zeit, die wir in gespannter Erwartung verbracht hatten, überwog doch die Erleichterung. Keine Heimlichkeiten vor meiner Familie, den Freunden und Arbeitskollegen, und hoffentlich keine neue Jobsuche.
    Na gut, ein verlängertes Leben wäre reizbar gewesen, aber so versessen war ich darauf dann auch wieder nicht, um mich deswegen nochmal von Marius beißen zu lassen. Man konnte im Leben bekanntlich nicht alles haben.
    „Wärst du so freundlich?“, fragte ich, nachdem Marius von sich aus keine Anstalten machte, die Ketten zu öffnen.
    „Lass uns noch eine Weile warten“, murmelte er mit Blick aus dem Fenster und irgendwie hatte ich genau diese Antwort erwartet.
    Ich seufzte. „Der Mond ist da und nichts ist passiert. Wie lange willst du warten und meine Nerven zu strapazieren?“
    Marius antwortete nicht sofort, sondern betrachtete mich stattdessen erstmal vom Kopf bis zu den Füßen, und langsam aber sicher verlor ich mein letztes bisschen Geduld mit ihm. Ich hatte keine Ahnung warum er, obwohl der Mond längst aufgegangen war, weiter abwarten wollte, aber um ehrlich zu sein, es war mir herzlich egal. Ich hatte mich nicht in einen Wolf verwandelt und würde es auch nicht tun. Ich war dieser eine von zehn Gebissenen, die Glück hatten, und ich wollte endlich hier raus.
    „Marius?“ Ich wartete, bis er mich ansah. „Ich habe dieses Spiel mitgespielt, aber jetzt reicht es. Wenn du nicht willst, dass ich meine Meinung über dich ändere, schließ' endlich die Ketten auf.“
    Nach einem Seufzen, das irgendwie enttäuscht klang, falls ich mir das nicht einbildete, nickte Marius. „Du hast Recht. Entschuldige. Oder sollte ich eher sagen, Glückwunsch?“ Er grinste verwegen, als ich ihn fragend ansah. „Trotz all meiner Bemühungen, bist du immer noch ein langweiliger Mensch.“
    Ich wollte nicht lachen, wirklich nicht. Trotzdem tat ich es. Ob das meine Art von Stressbewältigung war, keine Ahnung, aber es funktionierte, denn auch der letzte Rest Unruhe und Nervosität verschwanden durch das Lachen. Ich fühlte mich endlich wieder gut, und nur darauf kam es an.
    Marius hatte den Schlüssel aus der Hosentasche gezogen und ins erste

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