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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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verwandelte, die sie gern gewesen wäre.
    All diese Auslöser führten sie unweigerlich zu jenem Tag zurück, an dem sie den Brief entdeckte, der ihr Leben verändern sollte. Dann erinnerte sie sich wieder an die unbändige Neugier, die sie dazu getrieben hatte herumzuspionieren, und sie durchlebte die Momente des Entsetzens und der Verwirrung, als die Büchse der Pandora geöffnet war und Unheil und Verderben sie im hellen Sonnenlicht umflatterten wie eine Schar aufgescheuchter Fledermäuse. Ihre Welt war aus den Angeln geraten und zerbrochen – und mit ihr alle Sicherheit. Dennoch ergaben die Scherben ein Muster; sie fielen an ihren Platz wie die Teile eines Puzzlespiels und lösten Rätsel auf, über die sie sich immer schon den Kopf zerbrochen hatte.
    Ellen hatte mit Ungeduld das Erwachsenwerden erwartet. Als ihr an jenem Tag der Boden unter den Füßen schwankte, wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie auf ganz andere Weise in die Erwachsenenwelt eingetreten war, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war daheim geschehen, innerhalb der vermeintlich sicheren vier Wände ihres Zuhauses, und sie war ganz allein gewesen. Ihre Kindheit war ein für allemal vorbei.
    Der Frühjahrsball der Collier County Junior High School. Ellen hatte sich schon seit Wochen darauf gefreut. Sie war bis über beide Ohren in Ken Kelsey verliebt, und – Wunder, oh Wunder – er hatte sie tatsächlich gefragt, ob sie seine Tanzpartnerin sein wolle. Sie war sich nicht einmal sicher, wie es dazu gekommen war, denn sie hatten kaum ein Dutzend Worte miteinander gewechselt, seit er im Herbst neu in ihre Klasse gekommen war. Doch wenn sie ihm heimlich sehnsüchtige Blicke zugeworfen hatte, war ihr oft aufgefallen, dass er sie ebenfalls angeschaut hatte; und in dem winzigen Moment, ehe sie beide erröteten und wegblickten, gab es eine Art Verbundenheit zwischen ihnen, die keiner Worte bedurfte. Nach solchen Augenblicken frohlockte Ellens Herz den Rest des Tages, und wenn sie nachts allein in ihrem Bett lag, die Patchworkdecke bis zum Kinn emporgezogen, erging sie sich wieder genüsslich in der Erinnerung an den Moment, als sich ihre Blicke begegnet waren, und eine wohlige, prickelnde Wärme durchfuhr ihren Körper.
    Ihre beste Freundin Katy Johannson meinte, dass Ken etwas für Ellen ȟbrig habe«, und sie betete, dass Katy Recht haben möge. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sie fragen würde, ob sie mit ihm ausgehen wolle, und falls doch, war sie sich nicht einmal sicher, dass ihre Mutter es überhaupt erlauben würde. Und das wäre dann natürlich das Allerpeinlichste. Um ehrlich zu sein, graute Ellen schon vor der Aussicht, Nancy um diese Erlaubnis bitten zu müssen. Nancy hatte ihre Ansichten zu diesem Thema mehr als deutlich gemacht. Ellen sei viel zu jung, um sich mit Jungen abzugeben. Sie solle sich lieber auf die Schule konzentrieren. Wenn sie sechzehn wäre, könne sie mit einem Jungen ausgehen, aber nur, falls dieser »passend« sei. Ellen war sich sicher, dass Ken in dieser Hinsicht bestehen würde. Soviel sie wusste, hatte er noch niemals irgendwelche Schwierigkeiten gehabt, und sein Vater war Arzt am örtlichen Krankenhaus, was so ungefähr das Seriöseste und Achtbarste war, was man sich vorstellen konnte. Doch es würde noch mehr als zwei Jahre dauern, bis Ellen sechzehn wurde – eine halbe Ewigkeit. Ellen war hin- und hergerissen zwischen dem sehnsüchtigen Wunsch, Ken möge sie fragen, ob sie mit ihm ausgehen wolle, und der Furcht, dass er das tatsächlich tun könne und sie ihm ein Nein zur Antwort geben müsste. Dann würde sie ihn mit Sicherheit verlieren. Es gab jede Menge Mädchen, deren Eltern weniger – oder gar nicht – streng waren. Betty Cross zum Beispiel, die schon eine beneidenswerte Figur entwickelt hatte und die, wie jedermann wusste, »leicht zu haben« war. Sie ging manchmal mit älteren Jungen aus, solchen, die schon selbst motorisiert waren oder wenigstens die Autos ihrer Väter fahren durften, und es hieß, mit einem von ihnen sei sie schon »bis zum Äußersten« gegangen. Ellen fand das schockierend. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie jemand so schamlos sein konnte. Sie wäre schon in Grund und Boden versunken, ehe sie einem Jungen erlaubt hätte, auch nur den »ersten Hügel zu erklimmen« – also die Hände

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