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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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vorher.
    Der Brief, der eigentlich nur für Nancys Augen bestimmt war, begann ziemlich förmlich:
    Â»Liebe Nancy«. Nicht etwa mit »Mein Schatz« oder irgendeinem anderen Kosewort, das man eigentlich erwarten würde, wenn man den Inhalt des Briefes in Betracht zog. Und im ersten Absatz ging es um das Wetter:
    Wie geht es Dir? Wahrscheinlich genießt Du den herrlichen Sonnenschein bei Euch drüben. Hier ist es bitterkalt. Gestern hat es den ganzen Tag über geschneit. Einige Straßen sind unpassierbar, und die Bauern haben Schwierigkeiten, das Futter zu ihren Kühen zu schaffen.
    Und dann, ohne weitere Einleitung:
    Es gibt etwas, was ich Dir sagen möchte, Nancy. Ich trage mich mit dem Gedanken, wieder zu heiraten. Elizabeth ist eine sehr nette Frau, und ich möchte den Rest meines Lebens nicht allein verbringen. Aber ich will sie auch nicht fragen, ob sie mich heiraten möchte, solange noch eine Chance besteht, dass Du Deine Meinung vielleicht änderst. Ich habe nie aufgehört zu hoffen, dass wir eines Tages zusammenkommen könnten – und ich würde mir so sehr wünschen, dass unser Kind auch ein Teil meines Lebens werden könnte. Da ich praktisch die gesamte Kindheit verpasst habe, würde ich gern die verlorene Zeit wettmachen.
    Aber ich fürchte, es ist unwahrscheinlich, dass sich mein Wunsch erfüllt. Offenbar meint das Schicksal es nicht gut mit uns und es wird immer jemanden geben, der zwischen uns steht und dem unsere Treue vorrangig gelten muss. Aber Tatsache ist, dass ich Dich immer noch liebe, Nancy, so wie eh und je. Willst Du es Dir nicht noch einmal überlegen?
    In der Hoffnung, bald etwas von Dir zu hören,
    auf ewig der Deinige,
    Mac.
    Â»Ellen? Wo bist du, Schatz?« Nancys Stimme drang durchs Treppenhaus. Ellen hatte gar nicht gehört, wie das Auto in die Auffahrt gefahren war; ihre Welt hatte sich auf ein dünnes Blatt Luftpostpapier reduziert. Sie lief knallrot an und stopfte es schnell nach unten in die Schublade.
    Dort unten, verborgen unter der sorgfältig gefalteten Wäsche, war noch etwas, eine kleine Lederschatulle und offenbar noch ein weiterer Brief. Doch Ellen hatte keine Zeit mehr, das weiter zu untersuchen.
    Â»Hier oben, Mom. Ich probiere gerade mein Kleid für den Ball an«, rief sie mit zitternder Stimme.
    Â»Dann lass dich mal anschauen.«
    Alles an Ellen schien sich zusammenzuziehen, die Brust wurde ihr eng, und ihr ganzer Körper schien zu zittern, nicht heftig, nicht so, dass man es ihr ansehen würde, eher so, als würden die Muskeln, die ihren Körper zusammenhielten, ihr auf unerklärliche Weise den Dienst verweigern. Sie wollte ihrer Mutter nicht gegenübertreten. Sie wollte sie am liebsten gar nicht sehen und hätte auch lieber nie erfahren, was sie jetzt wusste. Sie war sich sicher, dass ihr in unlöschbarer Tinte ins Gesicht geschrieben stand, was sie herausgefunden hatte. Aber sie hatte keine Wahl. Ihre zitternden Beine trugen sie widerwillig an den oberen Treppenabsatz.
    Â»Komm doch, Schatz, du brauchst dich nicht zu genieren! Mensch – du siehst ja ganz toll aus! Ist das wirklich noch mein kleines Mädchen?«
    Nein, das ist bestimmt nicht mehr dein kleines Mädchen. Nie mehr .
    Â»Es kratzt«, sagte Ellen. Sie hörte ihre eigene Stimme von weit her kommen, so als gehöre sie gar nicht mehr zu ihr, während sie fieberhaft überlegte, was sie mit dem Mieder tun sollte, das sie auf ihrem Bett liegen lassen hatte. Konnte sie es einfach wieder in die Schublade zurücklegen, ohne dass Nancy etwas merkte? Sie bezweifelte es. Nancy entging nie etwas. »Du hast doch dieses Mieder«, sagte Ellen. »Das seidene mit Spitze. Könnte ich es mir vielleicht leihen?«
    Â»Ja, warum nicht.« Nancy machte Anstalten, die Treppe hinaufzukommen.
    Â»Bleib ruhig unten. Ich habe es schon gefunden.«
    Â»Dann ist ja alles klar.« Nancy klang vollkommen ungerührt, als hätte sie völlig vergessen, was sie in dieser Schublade versteckt hielt. Wie konnte sie denn so etwas bloß vergessen?
    Ellen starrte nach unten in Nancys lächelndes Gesicht, das ihr so schmerzlich vertraut war und doch plötzlich vollkommen verändert vorkam. Ein Lächeln, das Geheimnisse verbarg. Das Gesicht einer Frau, die urplötzlich zu einer Fremden geworden war.
    Meine Mutter hatte einen Liebhaber. Sie hat ein Kind von ihm bekommen. Unser Kind. Ich würde mir so

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