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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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Tränen – ich fasse es nicht!
    Â»Ich glaube, es war mehr als das. Ach, Mum, ist das nicht schrecklich? Die ganzen Jahre über hat sie dieses Geheimnis für sich behalten und um die beiden getrauert – und ich habe nichts davon geahnt. Hat Grandpa es gewusst? Dass John nicht von ihm war?«
    Â»Keine Ahnung«, entgegne ich unwirsch.
    Â»Aber er muss es doch gewusst haben – wenn sogar du es weißt.«
    Â»Darüber wurde nie geredet.«
    Â»Aber woher weißt du es dann?«
    Ich hätte es mir ja denken können. Ich hätte mir denken können, dass Sarah nicht nachlassen wird, bis sie alle Einzelheiten aus mir herausgeholt hat. Sie wird nicht eher Ruhe geben, bis sie alles weiß. Und dann wird sie sich wünschen, sie hätte es lieber nicht erfahren.
    Â»Ich brauche einen Drink«, sage ich. Ich hole Bobs Flasche Grant’s Whisky aus dem Schnapsschrank im Wohnzimmer und schütte mir zwei Fingerbreit in ein Glas ein, bevor ich Sarah die Flasche hinhalte. »Willst du auch einen?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich nehme lieber ein Glas Wein, falls du eine Flasche offen hast.«
    Â»Du kannst dir eine aufmachen. Du weißt ja, wo der Wein steht.« Ich würde die Flasche ja selbst öffnen, aber ich traue mir im Augenblick nicht zu, mit dem Korkenzieher umzugehen. Sarah könnte sehen, wie mir die Hände zittern. Ich trinke einen kräftigen Schluck Whisky – pur.
    Â»Mum?« Sarah bleibt mit der Weinflasche in der Hand neben mir stehen. Jetzt wirkt sie besorgt. »Mum – alles in Ordnung mit dir?«
    Â»Nein, Sarah, ehrlich gesagt nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, warum deine Großmutter all diese Dinge jetzt wieder ausgegraben hat. Warum sie dich da auch noch mit reinziehen musste.«
    Â»Es ist schon ein kleiner Schock für mich, das muss ich zugeben«, erwidert Sarah. »Vor allem, dass John nicht Grandpas Kind war. Ich kann das kaum glauben. Aber du bist dir sicher, oder?«
    Â»Oh ja, Sarah. Ganz sicher.«
    Der Whisky stößt mir sauer auf, und ich habe wieder das gleiche flaue Gefühl im Magen wie vor so vielen Jahren, als ich herausfand, warum meine Mutter so vernarrt in ihren Erstgeborenen war. Nur, dass es jetzt fast noch schlimmer ist, weil ich weiß, zu welcher Tragödie diese Entdeckung geführt hat und wie sie unser aller Leben überschattet hat.
    Und irgendwo ist da auch ein quälendes Schuldgefühl über meinen Anteil an den Dingen, die dann passiert sind. Doch darüber will ich lieber nicht nachdenken. Es war die Schuld meiner Mutter – an allem hatte nur meine Mutter Schuld, weil sie wie besessen war von diesem Mann, der nicht mein Vater war. Weiß Gott, ich habe versucht, sie zu verstehen und ihr zu vergeben. Aber manches kann man einfach nicht vergeben. Fortgesetzte Täuschung ist eines davon. Die Zerstörung meiner Familie ist das andere.

Vierter
T eil
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    Vergangenheit

I
    Ein- oder zweimal im Leben erlebt jeder eine Schlüsselsituation, einen Wendepunkt, nach dem nichts mehr so ist wie vorher. Für Ellen war dieser Augenblick im Sommer 1960 gekommen, und nach diesem Zeitpunkt gab es immer wieder bestimmte Auslöser, die sie in die Vergangenheit zurückversetzten und die besondere Stimmung dieses Augenblicks heraufbeschworen, wenn auch nur flüchtig. Wenn sie raschelnde Seide zwischen den Fingern spürte zum Beispiel, wenn die Nachmittagssonne auf eine ganz bestimmte Art und Weise durchs Fenster fiel oder wenn sie den Parfumduft von Californian Poppy roch. Ja, vor allem der Duft von Californian Poppy. Sie hatte das Parfum nun schon seit Jahren nicht mehr gerochen. Es schien von der Bildfläche verschwunden zu sein, verduftet wie so viele andere vergessene Parfums ihrer Jugend. Bewusst konnte sie seinen Geruch kaum mehr heraufbeschwören, doch manchmal rief ein flüchtiger, vorüberwehender Parfumduft, schwer fassbar wie ein Traum, den man beim Aufwachen wieder vergisst, eine unbestimmte Erinnerung in ihr hervor, und sie dachte an jenen Tag zurück.
    Seide, die Unterwäsche ihrer Mutter, die in ordentlichen Stapeln in der Kommode lag. Sonnenstrahlen, gefiltert durch die Blätter und Blüten des Mimosenbaums vor dem Fenster. Californian Poppy, das sie auf ihre Haut aufgetragen hatte; der Duft, der sie in ihren Wunschträumen von der schlaksigen Highschool-Schülerin in die weltgewandte, elegante Frau

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