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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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aufgefallen, weil sie die Männer nicht gekannt hatte, bevor sie in den Krieg zogen, und daher nicht wusste, ob sie sich als Zivilisten anders verhalten hatten. Häufig begegneten diese Männer dem Tod von Freunden und der Furcht vor dem eigenen Tod mit einer beinahe manischen Konzentration auf den gegenwärtigen Moment, so dass für Trauer oder Angst kein Platz mehr blieb. Doch manchmal fand sie diesen inneren Rückzug, den sie jetzt bei John beobachtete, das Ausschließen jedes anderen Menschen, der die Kriegserlebnisse nicht geteilt hatte und deshalb die düsteren Gedanken und Gefühle nicht nachvollziehen konnte, die die Männer in dunklen Nächten plagten; das ständige Bewusstsein, dass jeder Tag der letzte sein konnte.
    Nancy erkannte die Zeichen der Kriegsneurose wieder und weinte im Stillen über den Verlust von Johns Jugend und Unschuld und über ihre eigene Unfähigkeit, Zugang zu ihrem geliebten Sohn zu finden. So viele junge Männer waren durch Vietnam zerstört worden, und für viele wäre es ein gnädigeres Schicksal gewesen, im Kampf zu fallen, als die körperlichen Schäden und seelischen Verletzungen, die sie erlitten hatten, ein Leben lang mit sich herumzutragen. Jähzorn und Reizbarkeit; kurzzeitige Wahnvorstellungen, die sie dazu brachten, im Reflex einen geliebten Menschen zu verletzen, in der Annahme, es sei der Feind; nächtliches Aufschreien; das Alkoholtrinken, um zu vergessen. Wenigstens war John Pilot und nicht Marineinfanterist; er würde nie einem Menschen in die Augen sehen müssen, während er ihn erschoss oder ihm ein Bajonett in die Eingeweide stieß. Aber auch er hatte schon anderen den Tod bringen müssen und dabei zugesehen, wie seine Kameraden abgeschossen wurden. Und er war kein hartgesottener, abgebrühter Junge wie so mancher, der eine Jugend in einer Straßengang hinter sich hatte und an Brutalität gewöhnt war. Er war von Natur aus ritterlich, sensibel und verletzlich, Charakterzüge, die es ihm in vielerlei Hinsicht noch schwerer machen würden. Da Nancy all das wusste, zitterte sie umso mehr um ihn.
    Würde sie je wieder den John zurückbekommen, der sie verlassen hatte, um in den Krieg zu ziehen? Sie wusste es nicht und wollte keine Energien auf unnütze Spekulationen verschwenden. Sie musste ihr Bestes tun, um ihn jetzt zu unterstützen, und ihn in einen Kokon aus Wärme und Normalität einspinnen, den er auf die Schlachtfelder Vietnams mitnehmen könnte.
    Während Nancy in den folgenden Tagen ihre ganze Aufmerksamkeit auf John konzentrierte, musste sich Ritchie zu seiner Schande eingestehen, dass die Rückkehr seines Bruders bei ihm die alte Eifersucht und das Bewusstsein der eigenen Unzulänglichkeit hervorgerufen hatte.
    In Johns Abwesenheit war es Ritchie vorgekommen, als sei er von einer schweren Last befreit worden. Als er nicht mehr täglich mit seinem Bruder wetteifern musste, ließen auch die Minderwertigkeitsgefühle nach, die er ein Leben lang empfunden hatte, und sein Selbstvertrauen erhielt noch weiteren Auftrieb, als Joe eingewilligt hatte, dass Ritchie gleich nach der High School bei Varna Aviation anfing. Ritchie hatte sich Sorgen gemacht, dass seine Zeugnisse niemals gut genug sein würden, um in ein angesehenes College aufgenommen zu werden, wie John es mühelos geschafft hatte. Kurzzeitig hatte er sich zwar gefragt, ob Joe ihn möglicherweise ebenfalls für ungeeignet hielt, ein College zu besuchen, aber er war viel zu erleichtert gewesen, um sich darüber groß den Kopf zu zerbrechen. Es störte ihn auch nicht, dass Joe darauf bestanden hatte, er solle die Arbeit von der Pike auf lernen. Er arbeitete gern mit Don Rivers, dem Flugzeugmechaniker, zusammen, und sah ein, dass es hilfreich sein würde, nicht nur zu wissen, wie man ein Flugzeug flog, sondern auch wie es flog, ebenso wie es durchaus nützlich war, wenn man mehr konnte, als nur den Ölstand, den Treibstoffvorrat, den Rumpf und die Magnete zu checken.
    Alles in allem war er während Johns Abwesenheit viel entspannter geworden; es war ihm gelungen, aus Johns allgegenwärtigem Schatten zu treten und zu einer gewissen Zufriedenheit mit sich selbst zu finden. Nun aber, wo John wieder da war und alle ein solches Getue um ihn machten, brach alles wieder über ihn herein. Und noch etwas machte ihm schwer zu schaffen – und das war Diane.
    Ritchie ging jetzt schon seit

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