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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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eine leere Leinwand und verrät nicht, was er denkt oder fühlt. Dann blickt er mich prüfend an.
    Â»Wie kommen Sie darauf, dass John Macs Sohn war?«
    Â»Mum hat es mir erzählt. Vor langer Zeit, als Teenager, hat sie mal einen Brief gefunden, den Mac an Grandma geschrieben hatte …« Ich halte inne, denn ich möchte Chris nur ungern erzählen, dass Mac in diesem Brief einen letzten verzweifelten Versuch unternommen hat, Nancy zu überreden, dass sie Joe verlassen solle. Wäre ihm das gelungen, hätte Mac sicherlich Chris’ Mutter verlassen, so viel ist mir klar. Es kann ja sein, dass sie als Familie keinerlei Geheimnisse voreinander hatten, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass ihre offene Haltung so weit reichte. Es ist sicher für eine Frau durchaus möglich, eine Geliebte und ein uneheliches Kind aus der Vergangenheit ihres Mannes zu akzeptieren, aber zu erfahren, dass er sie praktisch vor dem Altar sitzen lassen hätte, wenn Nancy bloß einen Ton gesagt hätte, war weniger schön.
    Â»In dem Brief wurde John erwähnt«, erzähle ich weiter. »Es war ein furchtbarer Schock für Mum; sie hatte keine Ahnung, dass er nicht ihr richtiger Bruder war. Doch gleichzeitig hat es einige Dinge erklärt, über die sie sich immer schon gewundert hat, zum Beispiel, wie es Grandma und Grandpa gelungen war, John während des Krieges zu zeugen, wo sie doch Hunderte Kilometer voneinander entfernt stationiert waren. Und es war meiner Mutter immer schon so vorgekommen, als behandelte Grandma John anders als sie und Ritchie; er schien irgendwie etwas Besonderes zu sein. Als sie den Brief entdeckte, ist ihr plötzlich ein Licht aufgegangen. Ihr wurde klar, dass Nancy während des Krieges eine heimliche Liebesaffäre hatte und schwanger geworden war. Und dass Grandpa Joe aus Liebe zu Nancy ihren unehelichen Sohn als seinen eigenen aufgezogen hatte.«
    Â»Hat Ihre Mutter je mit Nancy darüber geredet?«, fragt Chris.
    Ich schüttele den Kopf. »Ich weiß, das hört sich ziemlich komisch an, aber Sie kennen meine Mutter nicht. Sie ist sehr … verschlossen. Sie macht alles mit sich selbst ab. Sie hat es die ganze Zeit für sich behalten.«
    Mal abgesehen davon, dass sie es Ritchie erzählt hat und damit eine schreckliche Folge von Ereignissen in Gang setzte … Aber das will ich jetzt lieber nicht weiter ausführen.
    Â»Ich weiß es selbst erst seit ein paar Tagen«, sage ich stattdessen. »Meine Mutter hat es mir erst erzählt, als ich ihr sagte, dass ich für Großmutter herausfinden wollte, was aus Mac geworden ist. Sie war ganz und gar dagegen, und als ich fragte, warum, kam alles nach und nach heraus.«
    Â»Aha!« Aber er sieht mich irgendwie komisch an, mit gerunzelter Stirn, und ich habe den Eindruck, dass er mir etwas mitteilen will, aber nicht richtig weiß, wie er anfangen soll. Da ist irgendetwas, was ich nicht ganz verstehe – und das gefällt mir nicht.
    Â»Was ist denn?«, frage ich.
    Â»Ich bin nicht ganz glücklich über das, was Sie mir da erzählen, Sarah.« Er sieht auch nicht besonders glücklich aus – eher so, wie er vielleicht aussieht, wenn er einem Patienten eine unerfreuliche Diagnose mitteilen muss. Er schiebt den Orden noch weiter über den Tisch auf mich zu, so als wolle er darauf verzichten. »Ich kann das nicht annehmen. Ich denke, Sie sollten erst noch einmal mit Nancy reden. Sagen Sie ihr, dass Sie Mac den Orden nicht zurückgeben konnten, weil er nicht mehr lebt. Und fragen Sie sie, was nun ihrer Meinung nach damit geschehen soll. Wenn sie dann immer noch möchte, dass ich ihn bekomme, nehme ich ihn gern an und werde ihn in Ehren halten. Aber Nancy soll das entscheiden. Von nun an ist alles einzig und allein ihre Entscheidung.«
    Ich bin vollkommen verwirrt. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wovon sprechen Sie eigentlich?«
    Er zögert. Dann sagt er: »Nein, es steht mir nicht zu, etwas zu sagen. Sie müssen mit Nancy sprechen.«
    Er steht auf. Das Gespräch ist beendet. Ich würde ihn am liebsten drängen, mehr zu erzählen, doch sein entschlossener Gesichtsausdruck zeigt mir, dass ich von ihm nicht mehr erfahren werde.
    Zwischen uns herrscht nun eine gespannte Stimmung, deutlich spürbar wie die atmosphärische Aufladung vor einem Gewitter. Ohne diese Spannung lange zu analysieren, weiß ich, dass sie daher

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