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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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erfahren.«
    Nancy bekam plötzlich weiche Knie. Sie merkte, dass die Beine unter ihr wegzuknicken drohten, und klammerte sich an die Rückenlehne des Stuhls, der vor dem Schreibtisch stand.
    Der Stationskommandant blickte sie besorgt an. »Möchten Sie sich lieber setzen?«
    Â»Nein danke, Sir. Mir geht es gut.«
    Gut. Mein Gott! Am liebsten hätte Nancy ihn angeschrien, dass es ihr ganz und gar nicht gutging – und auch nie wieder gutgehen würde, falls Mac irgendetwas zugestoßen war. Doch die Vernunft verlangte, dass sie sich nicht anmerken ließ, wie erschüttert sie tatsächlich war.
    Â»Was ist passiert, Sir?«, fragte sie so nüchtern, wie sie es fertigbrachte.
    Der Kommandant rollte einen Stift zwischen Zeigefinger und Daumen der Hände und drehte ihn hin und her wie einen Taktstock. »Es sieht so aus, als sei er gestern Nacht nicht von einem Einsatz zurückgekehrt. Es gab einen Luftkampf über besetztem Gebiet, und sein Wingman 5 berichtet, dass Squadron Leader Mackenzie getroffen wurde. Offiziell gilt er als ›vermisst‹, doch ich fürchte, es sieht nicht gut aus, Nancy.« Er schwieg einen Moment und blickte sie an. »Ich wollte es Ihnen selbst sagen, da Sie mit ihm befreundet waren. Das hielt ich für besser, als wenn Sie nur die halbe Geschichte oder irgendeine verfälschte Version erfahren.«
    Â»Danke Sir. Sie werden mir …«
    Â»Ihnen mitteilen, falls ich etwas Neues erfahre? Ja, natürlich. Aber um ehrlich zu sein, rechne ich eher nicht damit.«
    Nancy nickte mechanisch wie ein aufziehbares Blechspielzeug. Später konnte sie sich gar nicht mehr daran erinnern, wie sie das Büro verlassen, ihre Sachen zusammengesucht und den Heimweg angetreten hatte. Erst als sie allein in der Wohnung war, die Mac für sie gesucht hatte, gestattete sie sich, über die Mitteilung des Kommandanten nachzudenken. Nachdem sie sich wie ein verwundetes Tier in ihre Höhle verkrochen hatte, ließ Nancy den Gefühlen freien Lauf. Sie weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte, bis nur noch eine schwarze Leere blieb und die tiefste Verzweiflung, die sie je erlebt hatte.
    Tu was! Beschäftige dich! Arbeite! Es war die einzige Möglichkeit, wie sie bei Verstand bleiben konnte. Wenigstens brauchte sie sich nicht anzustrengen, um etwas zu tun: Tagtäglich wurde sie mit Arbeit überhäuft. Von morgens bis abends Flugzeuge zu überführen war ihr Leben geworden und erforderte ihre volle Konzentration. Doch hinter ihren Augen, in ihrem Kopf, gähnte eine schwarze Leere, und Elend hatte sich in ihrem Körper ausgebreitet wie ein Krebsgeschwür. Manchmal hatte sie einen Anfall von wildem, fast euphorischem Optimismus: Vielleicht hatte Mac irgendwo hinter den feindlichen Linien eine Bruchlandung gemacht und hielt sich versteckt oder war in Kriegsgefangenschaft geraten – keine besonders erfreuliche Aussicht, aber immer noch unendlich viel besser als die Vorstellung, er sei in seiner Spitfire verbrannt. Doch das hoffnungsvolle Gefühl hielt nie lange an, und dann kehrten die unerträglichen Vorstellungen und die tiefe Verzweiflung nur umso stärker zurück.
    Die Tage zogen sich endlos dahin, ohne dass es Neuigkeiten gab. Nancy sprach mit niemandem über das, was passiert war. Sie hatte Angst, dass dann ihre wahren Gefühle für Mac offenbar würden. Mac und sie waren so sorgsam darauf bedacht gewesen, ihre Beziehung zu verheimlichen, und Nancy wollte auf keinen Fall, dass nun alle Welt davon erfuhr. Sie wollte nicht, dass man darüber tratschte und klatschte und jeder sich berufen fühlte, in ihrer Beziehung herumzustochern. Mac war verheiratet, und daher lag es nahe, dass andere ihre Beziehung keineswegs als eine überwältigende Liebe betrachten würden, sondern als schmutzige kleine Affäre. Sie hätte es nicht ertragen, wenn ihr Verhältnis in dieser Weise herabgewürdigt worden wäre, und seltsamerweise erschien es ihr jetzt noch wichtiger als zuvor, Macs Ruf zu wahren. Falls er wirklich tot war, sollte er der Welt wenigstens als der ehrenhafte, edle Mann in Erinnerung bleiben, der er gewesen war, und nicht als Ehebrecher, der seine schwerkranke Frau betrogen hatte.
    Es konnte natürlich sein, dass andere längst den Verdacht geschöpft hatten, dass Mac für sie mehr als nur »ein guter Freund« gewesen war, wie es der Kommandant ausgedrückt hatte. Vielleicht

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