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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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Nancy früher benutzt hatte. Coco. Nahm sie immer noch Coco, oder war sie zu etwas Blumigerem übergegangen, einem Lavendel- oder Rosenwasserduft? Unwahrscheinlich. Nancy würde niemals dem Stereotyp entsprechen, das man landläufig mit alten Frauen verbindet. Wahrscheinlich gestand sie sich nicht einmal selbst ein, dass sie alt war.
    Aber, ach Gott, sie ist so klein! War sie immer schon so klein? Als Ellen ihre Mutter umarmte, war sie entsetzt darüber, wie zerbrechlich sich Nancy anfühlte. Ihre Knochen waren wie Vogelknochen, das Fleisch ihrer Arme war zu einer schlaffen Gänsehaut verwelkt, und sie schien keine Brüste mehr zu haben. »Mom …« Ellen versagte die Stimme; Schuldgefühle überkamen sie. Sie hätte sich mit ihrem Besuch nicht so lange Zeit lassen dürfen. So schwer es ihr auch fiel – sie hätte schon viel eher kommen sollen.
    Â»Ach, Ellen, es ist so schön, dich zu sehen!«
    Nancys Stimme hatte sich überhaupt nicht verändert, aber das wusste Ellen schon. Wenn sie mit ihrer Mutter telefonierte, hörte Nancy sich genauso wie immer an, und deshalb war es Ellen leichtgefallen, sich einzubilden, dass sich an ihrer Mutter auch sonst nichts verändert hatte. Aber das hatte es. Oh doch, das hatte es.
    Â»Und auch Bob ist da!« Nancy küsste ihren Schwiegersohn auf die Wange. Ellen bemerkte, wie geschwollen Nancys Hände waren, als sie sie auf Bobs Armen ruhen ließ, während er sich zu ihr herabbeugte.
    Â»Kommt rein! Möchtet ihr eine Tasse Tee oder lieber was Stärkeres? Und bestimmt wollt ihr euch frischmachen. Tut euch keinen Zwang an – sagt mir, was ihr zuerst wollt. Ich habe dein altes Zimmer für dich hergerichtet, Liebling. Sarah hat es sonst benutzt, aber sie ist jetzt in das kleine Gästezimmer umgezogen.«
    Sie entschieden sich für Tee und den Möhrenkuchen, den Nancy gebacken hatte, obwohl Sarah ihre Hilfe angeboten hatte. »So alt bin ich auch noch nicht, dass ich keinen Möhrenkuchen mehr zusammenrühren könnte«, hatte Nancy gesagt.
    Ellen kam das Wohnzimmer genauso unwirklich vor wie die Straßen von Varna, zwar vertraut, aber irgendwie kleiner und leicht verändert. Und das komische Gefühl hielt an, als sie in ihr Schlafzimmer hinaufging. Bob hatte die Koffer schon hinaufgetragen und war wieder hinuntergegangen, um noch eine Tasse Tee zu trinken. Ellen wollte sich gern umziehen; ihr Hemdblusenkleid war von der Reise zerknittert, und sie sehnte sich nach frischer, dünnerer Kleidung. Außerdem brauchte sie ein paar Minuten Zeit, um sich zu sammeln. Sie wusste nicht, was sie eigentlich erwartet hatte, als sie ihr altes Zimmer nach so langer Zeit wieder betrat – vielleicht, dass Sarah dort ihre Spuren hinterlassen hatte, weil sie es ja schon seit Jahren benutzte. Doch als sie es betrat, glaubte sie sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Vor den Fenstern hingen noch dieselben Vorhänge, obwohl sie inzwischen schmale, verblichene Streifen an den Stellen aufwiesen, wo das Sonnenlicht durch die Jalousien gefallen war. Über dem Bett lag noch dieselbe blaue Patchworkdecke, die Ellen sich selbst hatte aussuchen dürfen, als es Zeit war, den kindlichen, fröhlich mit Seifenblasen gemusterten Überwurf durch etwas Erwachseneres zu ersetzen. Auf der Kommode stand noch immer die Familie von Porzellanhasen, und darüber hing die Rosette, die sie damals für den dritten Platz beim Turnier des Pony-Clubs gewonnen hatte. Einige ihrer Bücher standen immer noch auf dem Regal neben dem Bett; allerdings wurden sie gestützt von einem Stapel moderner Taschenbücher, die wahrscheinlich Sarah dort hatte stehen lassen – ein paar Romane von Philippa Gregory, Corellis Mandoline von Louis de Bernières, Sebastian Faulks’ Gesang vom großen Feuer . Ellen griff nach einem ihrer eigenen alten Bücher, Die Sommerinsel von Sloan Wilson, und während sie es durchblätterte, fiel ein Foto von James Dean heraus, das sie mal aus einer Zeitschrift ausgeschnitten hatte.
    Grotesk. Es war einfach grotesk. Es war, als sei sie in die Vergangenheit zurückversetzt worden, in ein anderes Leben, von dem sie sich kaum mehr vorstellen konnte, das es einmal ihr eigenes gewesen war.
    Ellen betrachtete das Bett; dasselbe Kopfbrett, eine neue Matratze – jedenfalls hoffte sie das. Schon damals war ihre Matratze ein bisschen klumpig und unbequem gewesen, obwohl

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