Ein kleines Stück vom Himmel nur
gutes Recht, über alles Bescheid zu wissen, was in Nancys Leben vorging, und ihre Meinung darüber kundzutun.
Noch nie hatte Nancy ein so langes Telegramm gesehen, aber am meisten überraschte sie der Absender â und Dorothy ebenfalls.
»Jacqueline Cochran?«, rief Dorothy mit scharfer, beinahe vorwurfsvoller Stimme. »Jacqueline Cochran ? Von der habe ich doch schon mal gehört!«
Wieder empfand Nancy stille Verärgerung. Es gab wohl kaum jemanden in der zivilisierten Welt, der noch nicht von Jacqueline Cochran gehört hatte â der ehemaligen Kosmetikerin, die inzwischen eine der berühmtesten Fliegerinnen war. Ursprünglich ein Findelkind aus einfachsten Verhältnissen, hatte sie sich zu einer wohlhabenden, mondänen Dame der Gesellschaft entwickelt, die bei den Reichen und Mächtigen ein- und ausging. Oft sah man sie, in Pelze gehüllt und mit Juwelen behängt, auf Fotos in den Zeitungen, und in der Fliegerwelt war sie eine Legende.
Inzwischen, so schien es, konzentrierte sie sich darauf, ihren Teil zu den Kriegsanstrengungen beizutragen.
In England sei eine Organisation gegründet worden, so erklärte das Telegramm, die Zivilisten einsetze, um Kriegsflugzeuge von den Fabriken zu ihren Einsatzorten zu überführen. Dadurch wolle man die Militärpiloten entlasten, damit sie den eigentlichen Kampfeinsätzen nachgehen konnten. Mittlerweile hätten sich bereits Dutzende amerikanischer Männer gemeldet, um diese Truppe zu unterstützen, und Jackie sehe keinen Grund, warum Frauen dies nicht auch tun sollten. Sie habe einen Bomber über den Atlantik geflogen und ihre Idee in England mit den Verantwortlichen im Kriegsministerium diskutiert. Es sei ihr gelungen, diese zu überzeugen, und nun stelle sie eine handverlesene Truppe von Pilotinnen zusammen.
Zu Nancys Verwunderung stand sie ebenfalls auf der Liste, die Jackie aufgestellt hatte, da sie über die notwendige Ausbildung und Erfahrung verfügte: eine Berufspilotenlizenz, eine Lehrberechtigung und fast fünfhundert Stunden in ihrem Flugbuch. In dem Telegramm wurde Nancy zu einem Vorstellungsgespräch mit anschlieÃendem Vorfliegen eingeladen, mit der Aussicht darauf, Jackies Elitetruppe beizutreten.
Nancy las das Telegramm wieder und wieder mit wachsender Aufregung und achtete gar nicht auf Dorothys missbilligendes Schnalzen. Dorothy würde natürlich jeden nur möglichen Einwand anführen. Sie empörte sich bereits über die verschwenderische Länge des Sendschreibens, ganz zu schweigen von der »Frechheit dieser Frau, die erwartet, dass du springst, sobald sie nur mit den Fingern schnippst!«, aber Nancy hörte gar nicht hin.
Dorothy mochte zwar eine langjährige Ãbung darin haben, das Leben anderer Menschen zu lenken, doch Nancy hatte nicht die Absicht, sich ihr diesmal zu fügen. Wenn es drauf ankam, fällte Nancy immer noch ihre eigenen Entscheidungen. Und sie hatte sich bereits entschieden.
Schon seit einiger Zeit hatte Nancy das Gefühl gehabt, dass sich ihr Leben an einem Wendepunkt befand, obwohl sie in der ersten Zeit in Varna mehr als zufrieden gewesen war. Nachdem sie jahrelang wie eine Zigeunerin gelebt hatte, war es ihr wie das Paradies erschienen, endlich einen Ort zu haben, den sie als ihr Zuhause betrachten konnte, und gleichzeitig der Tätigkeit nachzugehen, die ihr Spaà machte und die sie am besten beherrschte. Hier konnte sie endlich die traumatischen Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit hinter sich lassen.
»Sie werden leichte Luftfracht transportieren, ein paar Leute hin- und herfliegen und Flugunterricht erteilen«, hatte Joe ihr erklärt, als sie sich auf sein Stellenangebot als Pilot gemeldet hatte. »Glauben Sie, dass Sie das schaffen?«
Er sprach langsam und ein wenig schleppend, doch sein Blick war scharf und wachsam. Er hatte blaue Augen, die blausten Augen, die Nancy je gesehen hatte, und seine ursprünglich helle Haut war im Gesicht wettergegerbt und braun gebrannt. Er habe seine Fluglaufbahn als Pilot von Streuflugzeugen begonnen, erzählte Joe ihr, und seine Dienste jedem zahlungswilligen Farmer zur Verfügung gestellt. Jetzt habe er sich allerdings entschlossen, sein Geschäft auszubauen. Er hatte sich ein weiteres Flugzeug gekauft, das sich sowohl für leichte Transporte als auch für den Flugunterricht eignete, und ein Büro am örtlichen Flugplatz angemietet.
»Ich finde,
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