Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur
Autoren: Amelia Carr
Vom Netzwerk:
Nancys Gesicht. Das war kaum zu überhören gewesen, wahrscheinlich hatte Dorothy sogar beabsichtigt, dass sie alles mithörte. Empfindlich, wie sie nach den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit war, überfiel Nancy zunächst heiße Scham: War denn so offensichtlich, was ihr geschehen war? Konnte man ihr die Dinge ansehen, die sie verbergen und vergessen wollte? Oder war diese missgünstige Frau eine Hexe, die in ihr Innerstes schauen konnte? Einen Augenblick lang überlegte Nancy, ob sie einfach aufstehen und gehen sollte. Doch dann stieg die Wut in ihr hoch, und ihre Empörung siegte. Sie würde ihren Job gut machen. Sie würde nicht zulassen, dass die Einmischung einer garstigen Alten sie um eine solche Chance brachte. Und was ging das die Alte überhaupt an?
    Joe hörte sich Dorothys Einwände mit stoischer Ruhe an und ging dann – genau wie immer – seinen eigenen Plänen nach. Er war an ihre Art gewöhnt – schließlich kannte er sie schon ein Leben lang –, und er hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass es am besten war, sie gleichzeitig zu beschwichtigen und zu ignorieren, wenn er ein ruhiges Leben führen wollte. Diesen Trick hatte er von ihrem verstorbenen Ehemann, seinem Onkel Walt, gelernt. »Am besten man diskutiert gar nicht erst mit ihr rum, Junge«, hatte er immer gesagt. »Lass ihr die Illusion, dass alles nach ihrer Nase geht. Dann beruhigt sie sich schon wieder!« Darauf schlenderte Onkel Walt, meistens gefolgt von Joe, zu dem alten Wohnwagen hinüber, der auf dem Brachland hinter dem Haus stand und ihm als Fluchtstätte diente, und zündete sich eine der Zigaretten an, die Dorothy ihm verboten hatte.
    Â»Sie meint es bloß gut«, sagte er und blies den Rauch aus. »Sie will nur unser Bestes.«
    Joe wusste, dass sein Onkel Recht hatte. Trotz ihrer penetranten Art hatte Dorothy ein gutes Herz und beschützte ihre Lieben mit der Entschlossenheit einer Löwin. Sie hatte ihn aufgenommen, nachdem er im Alter von zwei Jahren seine Eltern durch ein Zugunglück verloren hatte, und hatte nicht ein einziges Mal geklagt. Er hatte nichts entbehren müssen, weder materiell noch gefühlsmäßig. Dorothy hatte bei ihm gesessen und ihm über das Haar gestrichen, wenn er nachts aufwachte und nach seiner Mutter weinte, Dorothy hatte ihm Geburtstagskuchen gebacken, seine Socken gestopft und ihm das Blut von den aufgeschlagenen Knien gewischt. Er hatte, so wurde ihm bewusst, als er älter wurde, den Platz der Kinder eingenommen, die sie nie gehabt hatte, doch das machte ihm nichts aus. Wäre Dorothy nicht gewesen, wäre er wohl in einem Waisenhaus gelandet. Er stand in ihrer Schuld.
    Joes Dankbarkeit war auch der Grund dafür, dass er ein Zimmer in ihrem Haus behielt, als er Streuflugzeuge flog, und als er sich entschloss, eine eigene Flugfirma zu gründen, schien es nur folgerichtig, sie in Varna aufzubauen. So konnte er öfter zu Hause sein, denn seit Walts Tod vor einem Jahr litt Dorothy an Einsamkeit.
    Aber Dorothy zu respektieren hieß noch lange nicht, dass er sich wie ihr Schoßhündchen benehmen musste. Wenn er Nancy einstellen wollte, dann würde er das, verdammt noch mal, auch tun. Dorothy würde schon wieder von ihrem hohen Ross herunterkommen, wenn sie begriffen hatte, dass Widerstand zwecklos war.
    Als Dorothy merkte, dass Joe entschlossen war, sich ihr zu widersetzen, und ihre Versuche, das Mädchen durch offen zur Schau gestellte Missbilligung und gehässige Kommentare zu vertreiben, ebenfalls keinen Erfolg hatten, änderte sie ihre Taktik. Sie gab vor, Nancy unterstützen zu wollen, und schlug vor, sie könne doch in den alten Wohnwagen ziehen, der einmal Walt als Zuflucht gedient hatte. Es gefiel ihr zwar gar nicht, sie so dicht in Joes Nähe zu wissen. »Die hat ihr Ziel ganz genau im Auge«, meinte sie verächtlich zu ihrer Freundin und Nachbarin Tilly Jacobson. »Es ist doch klar, worauf die es abgesehen hat, oder? Ein gutaussehender Junge wie unser Joe, ein einträgliches kleines Geschäft, das ist doch eine gute Partie für jede – erst recht für so ein hergelaufenes Ding …« Andererseits konnte Dorothy Nancy im Auge behalten, wenn diese in der Nähe wohnte. Für eine Frau wie Dorothy, die ihre Nase überall drin hatte, war das eine unwiderstehliche Versuchung.
    Als dann tatsächlich eintraf, was Dorothy
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher