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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur
Autoren: Amelia Carr
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ganze Menge behalte ich doch lieber für mich …
    Du kehrst mit unseren gefüllten Gläsern zurück, und ich schlage das Tagebuch auf. Im vorderen Einband klebt ein Telegramm, mehrfach gefaltet, denn es ist über einen halben Meter lang. Ich klappe es auseinander und erinnere mich an das aufregende Kribbeln, das mir durch die Adern schoss, als es vor mehr als sechzig Jahren eintraf. Ein Telegramm vom Fliegerass Jackie Cochran, einer Frau, die schon zu Lebzeiten eine Legende war. An mich persönlich adressiert.
    Â»Vielleicht möchtest du dir das mal anschauen«, sage ich. »So hat alles angefangen.«

Zweiter
T eil
----
    Vergangenheit

I
    Das Telegramm wurde an einem sonnigen Vormittag im Frühling 1942 an Dorothy Costellos Tür abgegeben.
    Als Dorothy es entgegennahm, überfiel Nancy ein ungutes Gefühl. Ein Telegramm bedeutete immer, dass eine Nachricht nicht warten konnte – und das kam gewöhnlich einer schlechten Nachricht gleich, ganz besonders bei der momentanen Weltlage.
    Noch wenige Monate zuvor war der Krieg in Europa den meisten Amerikanern so weit weg erschienen, als fände er auf einem anderen Planeten statt. Wer regelmäßig die Zeitung las oder die Nachrichten im Radio verfolgte, wusste zwar, dass die Deutschen in den Niederlanden, Belgien und Frankreich einmarschiert waren und britische Städte und Flugplätze ständig von der Luftwaffe bombardiert wurden. Die Menschen wussten, dass amerikanische Truppen ins unabhängige Island entsandt worden waren, um die Briten zu unterstützen. Sie sollten verhindern, dass die Deutschen dort einen Stützpunkt errichteten und die wichtigen Handelsrouten zwischen den USA und Großbritannien störten. Die Leute wussten auch, dass Präsident Roosevelt und Mr. Churchill sich auf einem amerikanischen Kreuzer vor der Küste Neufundlands getroffen und die Atlantikcharta verabschiedet hatten. Interesse geweckt hatte jedoch eher die Tatsache, dass Präsident Roosevelt das geheime Treffen als Angelurlaub auf seiner Yacht getarnt hatte, weniger die Erklärung der gemeinsamen Absichten selbst. Der Krieg fand auf der anderen Seite des Atlantiks statt, und im Großen und Ganzen betraf er die Leute nicht.
    Bis zum 6. Dezember 1941, als die Japaner Pearl Harbour bombardierten. Fünf Schlachtschiffe und vierzehn kleinere Schiffe waren gesunken oder zerstört, zweihundert Flugzeuge zerstört worden und über zweieinhalbtausend Menschen hatten den Tod gefunden. Plötzlich betraf der Krieg die Menschen sehr wohl. Offiziere der Armee und der Navy strömten ins War and Navy Department, und die ersten Zivilisten meldeten sich freiwillig für den Kriegsdienst.
    Unter ihnen war auch Joe, der sich für die USAAF gemeldet hatte, wo er seine Erfahrungen als Pilot einsetzen konnte. Er flog jetzt Bomber, eine bekanntermaßen gefährliche Beschäftigung, und kaum hatte Nancy das Telegramm erblickt, bekam sie furchtbare Angst, dass es in der Tat sehr schlechte Nachrichten enthalten könnte.
    Auch Dorothy Costello zitterte vor Sorge. Alle Farbe war aus ihrem schwammigen Gesicht gewichen, und das schlaffe Fleisch an ihren fülligen Armen bebte, als würden ihr die Nerven nicht mehr gehorchen, während sie das Telegramm entgegennahm. Sie betrachtete es kurz, während Nancy mit klopfendem Herzen wartete. Dann drehte sich Dorothy zu Nancy um, und ihre Angst hatte sich in Empörung gewandelt.
    Â»Es ist für dich!«
    Eine Woge der Erleichterung erfasste Nancy. Wenn das Telegramm an sie adressiert war, konnte es keine offizielle Mitteilung sein, dass Joe getötet worden oder als vermisst gemeldet war. Sie war nicht seine Ehefrau, ja nicht einmal mit ihm verlobt, so gern Joe das auch gewollt hätte. Joes nächste Anverwandte war seine Tante Dorothy. Doch Nancy war trotzdem verwirrt und besorgt. Noch nie hatte ihr jemand ein Telegramm geschickt.
    Dorothy spähte ihr über die Schulter, während Nancy das Telegramm öffnete; Nancy spürte ihren unregelmäßigen Atem im Nacken und fühlte auf ihren nackten Armen die Wärme, die dieser zitternde Fleischberg verströmte. Dorothy hielt nicht viel von Privatsphäre; das war eine der Eigenschaften, die Nancy an ihr am meisten störten. Und dann natürlich noch Dorothys anmaßende Art, stets alles besser zu wissen. Nancy lebte unter ihrem Dach und war Joes Mädchen, und daher hielt Dorothy es für ihr
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