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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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Stockley behandelte die jungen Frauen wie ihre eigenen Töchter. Nach den ausrangierten Feldbetten, die man ihnen in dem beschlagnahmten Cottage in Luton zur Verfügung gestellt hatte, war es eine wahre Wonne, sich am Ende eines anstrengenden Tages in eines der bequemen Betten sinken zu lassen, und Mrs. Stockley betrachtete es als ihre Pflicht, den Mädchen jeden Morgen ein königliches Frühstück vorzusetzen. Die Mahlzeiten, die am Abend serviert wurden, hätten mit jedem Gourmetrestaurant mithalten können. Es gab frische Eier von der gackernden Hühnerschar auf dem Hof, Kaninchen und Fasan, die auf dem Anwesen geschossen wurden, und frische Forelle aus dem Bach, der durch den reich bepflanzten Obstgarten floss.
    Nach ihrer Ankunft besuchten die Mädchen zunächst eine zehntägige theoretische Schulung, wo sie sich mit einer Fülle von technischen Informationen herumschlugen: Hydrauliksysteme und Einziehfahrwerke, Klappensysteme und unterschiedliche Arten von Verstellpropellern und Kompressoren. Seit Nancy ihren Pilotenschein besaß, hatte sie sich nie besonders viel mit technischen Details auseinandergesetzt – es reichte ihr, wenn ein Flugzeug flog –, aber irgendwie meisterte sie den Stoff und bestand die schriftlichen Prüfungen. Dann war es Zeit, das Fliegen auf neuen Flugzeugtypen zu lernen, und in der Praxis fühlte sich Nancy gleich viel sicherer.
    Ihr Fluglehrer war ein trockener Schotte namens Sandy Bruce. Zuerst tat sie sich sowohl mit seiner Aussprache als auch mit seinem Humor schwer, aber Sandy war geduldig und gründlich, und bald hatte Nancy Miles Masters, Martinets, Hurricanes und sogar eine Oxford in ihrem Flugbuch stehen.
    Auch die Geselligkeit wurde in White Waltham großgeschrieben. Im größten Überführungszentrum der ATA trafen altgediente Flieger auf Flugschüler; Männer und Frauen aus allen Gesellschaftsschichten wurden in einem einzigen großen Schmelztiegel zusammengeworfen. Da sich auch eine ganze Reihe Amerikaner auf dem Stützpunkt befand, fühlte sich Nancy gleich wie zu Hause; oft gingen sie gemeinsam auf einen Drink in das Skindles Hotel oder in den American Club in Maidenhead, wo sie im Pool schwimmen konnten. Manchmal machten sie auch einen Ausflug nach London, wo Nancy ihren ersten Bombenangriff erlebte und mit Entsetzen feststellte, dass sie ihn eher spannend als beängstigend fand. Und an einem lauen Nachmittag machte sie mit Kay und Miriam eine zweistündige Bootstour die Themse hinauf, gekrönt von einer Mahlzeit aus Schinken, Eiern und Pommes frites in einem Pub am Ufer.
    Inzwischen hatte Nancy sich an Miriams Eigenarten gewöhnt. Sie würde niemals eine gute Freundin werden, doch Nancy hatte gelernt, über ihre spöttischen Bemerkungen und das ständige Prahlen über die eigenen Fähigkeiten hinwegzuhören, und bewunderte Miriam für ihr Geschick beim Fliegen und die scheinbar mühelose Leichtigkeit, mit der sie jede neue Information aufnahm, die ihr zugeworfen wurde. Miriam war ihre Landsmännin; es war doch klar, dass die amerikanischen Mädels zusammenhalten mussten.
    Neben dem Lernen und ihren Freizeitaktivitäten nahm sich Nancy auch Zeit, an Joe zu schreiben. In ihrem Spind hatte sie einen ganzen Stapel Briefe von ihm, der mit einem Band zusammengebunden war. Obwohl nach wochenlanger Ebbe meistens ein ganzes Bündel Briefe auf einmal eintraf, ging aus den Daten, die Joe in seiner ordentlichen, schrägen Handschrift notiert hatte, klar hervor, dass er ihr fast jeden Tag schrieb.
    Dieser Gedanke löste bei Nancy ein unbehagliches Gefühl aus. Es war zwar schön, diese Briefe zu bekommen, obwohl sie so stark zensiert waren, dass sie nur wenige Rückschlüsse darauf zuließen, was Joe gerade machte oder wo er sich überhaupt befand. Die Briefe waren eine Verbindung nach Hause und verliehen ihr bei den anderen Mädchen auch ein gewisses Prestige – immerhin gab es einen Mann, der sich genug aus ihr machte, um ihr zu schreiben. Doch gleichzeitig erinnerten die Briefe sie wieder daran, wie eingeengt sie sich gefühlt hatte, ehe Jackie Cochran ihr eine Fluchtmöglichkeit geboten hatte, und verursachten ihr schreckliche Schuldgefühle. Sie hatte Joe etwas vorgemacht und den Eindruck erweckt, dass er eine Chance bei ihr habe, und das war nicht richtig gewesen. Obwohl die Briefe weder besonders blumig noch sentimental klangen – das

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