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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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war nun mal nicht Joes Stil –, war allein die Tatsache, dass er sich beinahe täglich hinsetzte und etwas zu Papier brachte, Beweis genug, dass er sehr viel häufiger an sie dachte als umgekehrt. Manchmal empfand Nancy ein warmes Gefühl der Zuneigung für Joe, dann wieder erfüllte sie Gereiztheit. Warum konnte er nicht einfach jemand anderen kennenlernen und sie vergessen? Dann hätte sie die Freiheit, dasselbe zu tun. Doch so einfach war es wohl nicht. Schließlich hatte sie jemanden kennengelernt, und die Fäden, die sie selbst gesponnen hatte, hielten sie stärker gefangen als alle Bindungen, die Joe ihr auferlegt hatte. Sie schrieb ihm zurück, nicht sicher, ob ihre Briefe ihn je erreichen würden, aber sie wusste, dass ein Brief von ihr ihn glücklich machen würde. So viel war sie ihm zumindest schuldig.
    Manchmal sorgte sie sich auch um ihn. Sie wusste, dass er Bomber flog, und das war eine gefährliche Aufgabe. Und während sie sich um ihn sorgte, wurde ihr klar, dass ein Teil von ihr aus selbstsüchtigen, eigennützigen Gründen an ihm festhielt, und das verursachte ihr neue Schuldgefühle.
    Sie begann Flugzeuge zu überführen, zunächst nur einfachere Modelle auf kurzen Strecken, dann allmählich mehr und mehr. Jeder Morgen begann mit neuer Spannung darauf, was der Tag wohl bringen würde. Die Mädchen gingen durch den Park des Herrenhauses und folgten der von Obstgärten flankierten Straße, die einmal durch eine ländliche Idylle geführt hatte, jetzt aber stark von Bussen frequentiert wurde, die Piloten und Ingenieure zum Stützpunkt transportierten. Am Flugplatz dann saßen sie an kleinen Tischen, wie man sie in Cafés findet, und tranken Tee und Kaffee, während sie auf »Whitey« warteten, den Einsatzleiter, der die Tageseinsätze organisierte. Kaum hatte sich herumgesprochen, dass die Einsatzzettel raus waren, begaben sich die Mädchen in den Korridor vor der Einsatzzentrale, wo die Zettel auf einer langen, polierten Ablage ausgebreitet waren, und fielen eifrig darüber her. Dann holten sie sich den Wetterbericht ab und besorgten sich im Karten- und Planungsraum alle nötigen Informationen über die Flugplätze, die sie ansteuern sollten. Ein Zubringerflugzeug wartete schon auf sie, um sie auf einer genau durchdachten Route zu den einzelnen Orten zu transportieren, von denen Flugzeuge überführt werden sollten. Sie kletterten in die Maschinen, ausgerüstet mit ihren Fallschirmen, einem blau eingebundenen Exemplar der Ferry Pilot’s Notes und etwas Kleingeld für Verpflegung, sollten sie unterwegs irgendwo länger aufgehalten werden. Aber das erlebte Nancy in den ersten Tagen noch nicht. Meistens kam die Anson rechtzeitig an. Sie konnte den Flug genießen, während die Maschine lärmend von Flugplatz zu Flugplatz flog, um weitere Piloten aufzunehmen, und war immer noch rechtzeitig zu Hause, um auf einen Drink ins Riviera oder in den Sunny’s Club zu gehen.
    Nach und nach ließen die zwanghaften Gedanken an Mac nach, und die spitzen Messerstiche der Sehnsucht kamen seltener. Auch die unwirkliche Stimmung, die sie umgeben hatte, süß und traurig wie eine Erinnerung an den Duft der letzten Sommerrosen, verflüchtigte sich. Nancy bemerkte den Verlust kaum. Sie war wieder sie selbst, nicht länger die Sklavin eines sinnlosen und vergeblichen Traums.
    Und dann ging sie eines Tages über das Rollfeld zu der Anson, die als Zubringerflugzeug dort stand, und da war er – auf dem Pilotensitz. Nancy spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Ihr Herz schlug so laut, dass es sogar das Dröhnen des Motors beim Probelauf zu übertönen schien. Und da wusste sie, dass sich überhaupt nichts geändert hatte. Sie war keineswegs über ihn hinweggekommen. Die Anziehung, die er auf sie ausübte, war genauso stark wie eh und je.
    Mac war so vertieft in seine Arbeit, dass Nancy sich nicht sicher war, ob er sie überhaupt bemerkt hatte. Sie schob sich auf ihren Sitz, unsicher und verlegen, aber gleichzeitig unfähig, den Blick von seinem Hinterkopf und dem Haarschopf über der Fliegerjacke zu wenden. Mac beendete den Probelauf, wechselte ein paar Worte mit Bert Tyndall, einem altgedienten ATA -Flieger, der hinter ihm saß, drehte sich noch weiter um und hob eine Augenbraue, als er Nancy entdeckte.
    Â»Miss Kelly, wenn das keine Überraschung ist!«
    Â»Mac.«

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