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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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nicht geschafft hatte. Von Schottland bis nach Wiltshire zu reisen, um sie zu sehen – das war typisch Joe. Blumen zu kaufen dagegen nicht. Sie konnte sich vorstellen, dass es ihm wahrscheinlich zutiefst peinlich war, mit einem Blumenstrauß in der Hand gesehen zu werden. Kein Wunder, dass die Blumen so sorgfältig eingewickelt waren. Aber für sie war er über seinen Schatten gesprungen. Schuldgefühle überkamen sie. »Joe, ich habe dich gar nicht verdient … Ich bin kein netter Mensch …«
    Â»Rede doch nicht solchen Stuss! Du hast mich jetzt an der Angel, ob es dir gefällt oder nicht!« Er stand auf und legte die Arme um sie, und das Gefühl, gefangen zu sein, war wieder da, stärker als je zuvor. Sie entzog sich ihm.
    Â»Du machst die Blumen noch ganz kaputt … Ich gehe mal eine Vase holen …«
    Â»Ach, lass doch die Blumen!« Er nahm ihr den Strauß aus der Hand und legte ihn auf das Nachtschränkchen neben ihrem Bett. »Komm in meine Arme, Schatz.«
    Er zog sie wieder an sich. Sie vergrub ihr verletztes Gesicht an seiner Schulter und biss sich auf die Lippen, um das aufsteigende Gefühl von Panik zu bekämpfen. Was sollte sie bloß tun?
    In einem anderen Einzelzimmer in einem anderen Krankenhaus saß Mac neben dem Bett seiner Frau und verspürte dasselbe Gefühl von Zorn und Verzweiflung, das ihn immer überkam, wenn er sie besuchte, auch wenn der tiefe Schmerz ein wenig nachgelassen hatte und er nicht mehr ganz so erschüttert war, wenn er sie da liegen sah wie eine Wachspuppe. Die Situation war unverändert, und er nahm sie resigniert als unabänderlich hin. Dennoch fühlte er sich in Judys Gegenwart immer noch unwohl und gehemmt; er wusste nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte, ganz so, als sei Judy eine Fremde und nicht die Frau, mit der er seine Träume, seinen Körper und sein Leben geteilt hatte.
    Â»Sprechen Sie mit ihr«, hatte der Arzt ihn schon vor langer Zeit gedrängt, und er hatte es versucht. Er hatte sich wirklich bemüht. Doch schon in seinen besten Momenten war Mac nicht besonders redselig, und das Fehlen jeglicher Reaktion kostete ihn Nerven. Er kam sich immer vor, als führe er Selbstgespräche. Aber aus Pflichtgefühl strengte er sich an und führte eine Art mechanischer Unterhaltung. Er schilderte ihr, was er getan hatte und wie der Krieg voranging, und überbrachte ihr Botschaften aus ihrer Familie. »Deine Mum und dein Dad senden dir liebe Grüße. Jenny« – das war ihre Schwester – »lässt dir ausrichten, dass sie wahrscheinlich wieder in anderen Umständen ist.«
    Heute dagegen gab es etwas, was er ihr unbedingt erzählen wollte, er brachte es jedoch zunächst nicht über sich. Das Bedürfnis, ihr von Nancy zu erzählen und sie um Verständnis und Vergebung zu bitten, war überwältigend groß – und sinnlos. Er hätte gern ihren Segen gehabt, aber er konnte sie nicht darum bitten. Er glaubte nicht, dass sie ihn hören konnte, ganz sicher war er sich allerdings nicht. Wie würde sie sich fühlen, wenn sie ihn hören könnte? Wenn ihr Geist in dem regungslosen Körper noch aufnahmefähig war? Möglicherweise würde sie das, was er ihr erzählte, als Absicht interpretieren, sie zu verlassen. Er würde sie nie verlassen, solange noch Leben in ihr war. Doch wenn sie dachte, dass es da jemand anderen gab, würde sie wahrscheinlich glauben, er wolle sie verlassen. Vielleicht würde sie in diesem Gefängnis ihres Körpers weinen, ohne dass er etwas davon mitbekam. Mac betrachtete das schlafende Gesicht seiner Frau, während ihn seine Gefühle innerlich zerrissen.
    Er liebte sie und würde sie immer lieben, aber es war Zeit weiterzuleben. Die vergangenen beiden Jahre hatte er in einem einsamen Schwebezustand verbracht; die Fähigkeit zu leben war mit Judy verlorengegangen. Wie viele Jahre würden noch vergehen, ehe sich ihr Zustand veränderte? Schon seit längerem war ihm klar, dass er die Frau, die er geliebt hatte, vermutlich nie zurückbekommen würde, und er hatte sich damit abgefunden. Aber da er nie eine andere gewollt hatte, war es ihm auch nicht eingefallen, sich zu fragen, was passieren würde, wenn es mal so weit käme. Jetzt war diese rein hypothetische Frage plötzlich Wirklichkeit geworden. Jetzt gab es Nancy. Wenn er nichts unternahm

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