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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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mir jedenfalls nicht, obwohl ihre Lippen sich bewegten. Mir wurde klar, dass sie den Text des Liedes vor sich hinflüsterte, und ich hörte zu. Es war ein bittersüßes Lied, das von Liebe und Abschied zu handeln schien und von der Kunst, den Augenblick zu genießen.
    Â»Grandma!«
    Da kehrte sie wieder in die Gegenwart zurück, und ihre träumerische Sehnsucht wich einer Art Verlegenheit.
    Â»Tut mir leid, Schatz. Was ist denn?«
    Â»Ach, nichts …« Nun war ich verlegen, weil ich sie offenbar in einem so persönlichen Moment gestört hatte.
    Zuerst hatte ich gedacht, dass sie sich vielleicht an John erinnert fühlte, ihren Sohn und Mums älteren Bruder, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Ich hatte ihn nie kennengelernt; er war schon vor meiner Geburt gestorben, noch ehe Mum überhaupt nach England gezogen war. Aber Mum hatte mir mal erzählt, dass Nancy immer noch um ihn trauere und das wohl immer tun werde. »Er war ihr Liebling«, hatte sie gesagt, nicht ohne einen Hauch Bitterkeit. »Sie wird nie darüber hinwegkommen, dass sie John verloren hat.«
    Dann fragte ich mich, ob Nancy vielleicht an Grandpa Joe dachte und sich Sorgen machte, dass ihm etwas geschehen könne, während sie in England weilte. Er war nicht mitgekommen, das tat er nur sehr selten. Er hatte immer zu viel mit der Firma zu tun und reiste nicht gern weit. Ziemlich komisch für einen Piloten eigentlich, aber er sagte immer: »Ich habe schon mehr als genug erlebt. Ich habe genug von der Welt gesehen, und jetzt bleibe ich lieber auf meinem eigenen Fleckchen Erde, wenn ihr nichts dagegen habt.« Außerdem kam seit ein paar Jahren noch die Angst um seine Gesundheit dazu, denn er hatte einen Herzinfarkt erlitten. Er hatte sich davon zwar wieder gut erholt, und die Medikamente, die man ihm gab, hatten ihn wieder stabilisiert, doch seit dieser Zeit widerstrebte ihm das Reisen noch mehr, und ich wusste, dass Grandma Nancy sich Sorgen um ihn machte. Vielleicht hatte sie insgeheim Angst, dass sie ihn womöglich nicht mehr wiedersehen würde.
    Â»Ich bin sicher, dass es Grandpa gutgeht«, sagte ich tröstend. »Und in ein paar Wochen bist du ja wieder zu Hause.«
    Sie blickte mich überrascht, ja geradezu erschreckt an. »Ja, ganz bestimmt geht es ihm gut, Schatz.«
    Also war es nicht Grandpa gewesen, an den sie gedacht hatte. Dann musste es wohl doch John gewesen sein. Ihn wollte ich aber nicht erwähnen. Obwohl wir einander so nahestanden, sprachen wir nie über John.
    Jetzt dagegen, in der abgedunkelten Kabine der 747, kommt mir wieder jener Vormittag in den Sinn, und ich muss an dieses Lied denken, das Nancys Erinnerung an einen Ort fernab der Küche meines alten Zuhauses entführte. Ein Lied aus den Kriegsjahren mit gefühlvollem Text und einer melancholischen Melodie. Hat sie vor sich das Gesicht des Mannes gesehen, dessen Foto in meiner Tasche steckt, zusammen mit dem Distinguished Flying Cross? Als sie mir vor ein paar Tagen das Foto und den Orden zeigte und mich gebeten hat, Mac zu finden, hatte sie fast den gleichen Ausdruck auf dem Gesicht.
    Und noch etwas fällt mir ein: ein Gespräch, das wir hatten, kurz bevor ich nach Hause zurückflog. Fergus hatte mich angerufen, schon zum dritten Mal während meines Aufenthalts in Florida. Wir aßen gerade zu Abend, nur Nancy und ich. Ritchie war immer noch auf dem Flugplatz oder war auf einen Drink in seine Lieblingsbar gegangen, wie er es so oft tat, jedenfalls schien Nancy Letzteres zu glauben. Ich hatte rasch ein paar Spaghetti Bolognese gekocht – ich koche gern für Nancy, wenn ich in Florida bin –, und wir waren gerade beim Essen, als das Telefon klingelte.
    Nancy griff nach dem Hörer. Sie hat das Telefon gern in der Nähe liegen, wenn sie allein ist, damit sie ihre armen, alten Muskeln nicht so strapazieren muss, wenn es klingelt, wie sie sagt; und obwohl ich jetzt da war, hielt sie an ihrer Gewohnheit fest.
    Â»Nancy Costello.«
    Ich konnte die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht hören, aber ein Lächeln breitete sich auf Nancys Gesicht aus, und man konnte es sogar in ihrer Stimme hören.
    Â»Ja, doch, das bin ich … Danke, das ist aber nett, dass Sie das sagen. … Ja, ja, sie sitzt hier neben mir. Ich reiche Sie weiter.« Sie hielt mir das Telefon hin, immer noch lächelnd, und hob eine Augenbraue. »Dein junger

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