Ein König für Deutschland
ein Abkömmling des Hauses Hohenzollern, dem neben den Habsburgern bedeutendsten deutschen Fürstengeschlecht. Die Familie stammt ursprünglich übrigens aus Schwaben und lässt sich zurückverfolgen bis zum Jahr 1061 67 …«
»Tausend Jahre?«, staunte die wild verkleidete Frau.
»… und sie existiert bis auf den heutigen Tag«, fuhr Simon fort. »Heutiger Chef des Hauses Hohenzollern ist Prinz Georg Friedrich von Preußen 68 , der Ur-Ur-Enkel Wilhelms des Zweiten und damit ein Nachfahre zum Beispiel Friedrichs des Großen. Wenn die Monarchie in Deutschland nicht 1918 geendet hätte, wäre er vermutlich heute Deutscher Kaiser.«
Sirona schüttelte bedachtsam den Kopf. »Ehrlich? Prinz Georg? Nie gehört, den Namen.«
»Das ist ein ganz junger Mann, knapp über dreißig. Sie würden ihn vermutlich sympathisch finden.« Simon beobachtete Alex’ Bruder Leo, der ernsten Gesichts leere Gläser einsammelte und verwüstete Buffetplatten in Ordnung brachte.
Irgendwo in den Tiefen ihres Kostüms begann es zu zwitschern. »Schon seltsam«, meinte sie, während sie nach dem zugehörigenMobiltelefon wühlte. »Mit dem Adel ist es wie mit der Astrologie. Der Verstand sagt einem, dass da nichts dran sein kann – aber das Thema fasziniert einen trotzdem ohne Ende.« Sie betrachtete das Display ihres Telefons, hob die blau-silbern gefärbten Augenbrauen. »Sie entschuldigen mich einen Moment? Ich muss kurz telefonieren.«
»Natürlich«, sagte Simon.
Sie entschwand auf die Dachterrasse. Von wegen kurz: Nach zehn Minuten stand sie immer noch draußen, redete und gestikulierte. Simon beschloss, nachzusehen, ob von dem guten Rotwein noch etwas da war.
***
Leo verbrachte den größten Teil der Party in der Küche und kümmerte sich um alles: um Nachschub an Getränken, an Platten frischer Häppchen und darum, die gebrauchten Gläser und Teller einzusammeln, ehe sie zu Bruch gingen. Und er hielt den Geschirrspüler am Laufen. Wie üblich. Seine Art, die Miete zu zahlen. Nicht, weil Alex das von ihm verlangt oder auch nur erwartet hätte, sondern weil es sich so gehörte.
Abgesehen davon hätte er sich auf der Party ohnehin nicht wohl gefühlt. Weder konnte er mit den Leuten viel anfangen, die um seinen Bruder herum waren, noch ertrug er die Musik … Ach, im Grunde gefiel es ihm in der Küche am besten. Hier hatte er seinen Bereich, etwas zu tun und seine Ruhe. Wenn sich, was ab und zu geschah, einer der Mongolenkrieger hierher verirrte, hatte Leo es drauf, so wortkarg und abweisend zu wirken, dass derjenige schnell wieder das Weite suchte.
Doch als Simon König plötzlich neben seiner Theke stand – das war natürlich etwas anderes.
Tatsächlich machte es Leo regelrecht verlegen, dass ihm dieser Ehrfurcht gebietend wirkende Mann zusah, wie er schwarze Oliven in kleine Stücke schnitt und sie auf mit Thunfischpaste bestrichene Baguettescheiben verteilte. Und dass er dann auch noch sagte: »Sie machen das sehr gut.«
»Abgeschaut«, erwiderte Leo, ohne aufzusehen. Und weil er das Gefühl hatte, mehr sagen zu müssen als das, erzählte er eben von Nina und wie sie sich kennengelernt hatten, auf dem Landespresseball, wo sie im Catering gearbeitet hatte und er als Leibwächter des Ministerpräsidenten. »In meinem Job steht man die Hälfte seiner Zeit neben irgendwelchen Büfetts herum, von denen man nichts essen darf. Da hilft man manchmal aus, wenn wenig zu tun ist, trägt Platten von hier nach da, legt auch mal was nach … So sind wir ins Gespräch gekommen.«
»Und so haben Sie gelernt, wie man das professionell macht.«
»Professionell? Na, ich weiß nicht …« Leo fühlte seine Hände feucht werden, musste sie an einem Handtuch abtrocknen. Er war es nicht gewöhnt, dass überhaupt jemand mit ihm redete. Ein Bodyguard wurde gewöhnlich nur wie eine Art bekleidetes Möbelstück behandelt.
Simon König hob sein Glas. »Der Wein ist gut. Haben Sie sich das auch abgeschaut?«
Nina und Weine? Leo hatte sie nie einen Schluck trinken sehen, die ganzen zwei Jahre nicht, die sie zusammen gewesen waren. Er machte sich daran, Lauchzwiebeln in feine Ringe zu schneiden, und erzählte, dass er sich dafür schon immer interessiert hatte. Dass er eine Menge Bücher zu diesem Thema besaß, über Anbaugebiete, Jahrgänge und so weiter. »Da schlage ich aus der Art; immerhin hat meinem Vater mal eine Brauerei gehört …« Er hielt inne, musterte den Mann mit dem stattlichen weißen Haar unschlüssig. »Finden Sie das seltsam für
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