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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Sträfling: Was er wollte, spielte keine Rolle.
    Der Anstaltsarzt untersuchte ihn und stellte ihm Fragen. Wie er schliefe? Was er träume? Ob er Probleme mit der Verdauung habe? Vincent wusste nicht, wozu der Weißbekittelte das wissen wollte, doch er antwortete, so gut er konnte.
    »Also, ich finde nichts Körperliches«, sagte der Arzt, der lange dünne Finger und grüne Augen hatte, »aber gesund sind Sie jedenfalls auch nicht. Ich denke, es ist am besten, ich schicke Sie mal zu unserer Psychologin.«
    Vincent spürte Widerwillen in sich aufwallen, geradezu überwältigend in seiner Heftigkeit. »Sir!«, beschwor er den Arzt. »Nein. Bitte nicht. Das möchte ich nicht, Sir. Bitte keinen Seelenklempner!«
    Doch er war ein Gefangener, ein Häftling, ein Sträfling: Was er wollte, spielte keine Rolle.
    »Morgen um zehn Uhr«, sagte der Arzt und tippte den Termin in seinen Computer.
    ***
    Am nächsten Tag holte ihn jemand aus der Werkstatt ab, ein junger Wachbeamter mit unendlich gelangweiltem Gesichtsausdruck. Er brachte Vincent vor die entsprechende Tür und erklärte ihm, dass er zu allen weiteren Terminen, die er mit der Ärztin ausmache, alleine gehen müsse; das System werde dann auf seineID eingestellt sein und ihm die entsprechenden Türen automatisch öffnen.
    »Und Ihr Ding wird summen, wenn es Zeit ist, loszugehen«, schloss er und entließ ihn in die Praxis der Psychologin.
    Die Psychologin war eine Frau Mitte fünfzig, füllig, mit langen, lockigen Haaren. Ihre Augen hinter der goldumrandeten Brille wirkten müde, aber insgesamt strahlte Wohlwollen von ihr aus.
    »Guten Morgen, Vincent«, sagte sie und reichte ihm die Hand. »Mein Name ist Dr. Cramer. Setzen Sie sich.«
    Der Sessel neben ihrem Schreibtisch war ausnehmend bequem, er schwang leicht hin und her. Vincent sah, dass Dr. Cramer seine Akte auf ihrem Computerschirm hatte.
    Er hatte damit gerechnet, dass sie ihn zu der Tat befragen würde, die ihm diese Haft eingebracht hatte – warum er Autos stehle und so weiter. Stattdessen fragte sie ihn, wie es ihm gehe, und sah ihn dabei an, als interessiere sie das wirklich.
    »Gut«, versicherte er ihr. Und als sie daraufhin schwieg und ihn weiter so ansah, fügte er hinzu: »Ich komme zurecht. Es ist alles sehr gut ausgestattet hier. Manchmal habe ich ein Gefühl, als hätte man mich in die Welt von Star Trek gebeamt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Sie ließ nicht erkennen, ob sie das verstand. »Macht es Ihnen nicht zu schaffen, Ihrer Freiheit beraubt zu sein?«
    Vincent blinzelte, wusste nicht, was er sagen sollte. »Nun ja«, meinte er schließlich, »das ist der Sinn des Ganzen, nicht wahr?«
    »Denken Sie, dass das der Sinn ist?«
    »Na klar, oder? Ins Gefängnis zu kommen, heißt, nicht mehr frei zu sein.«
    Sie nickte sinnend. »Ja. Aber was macht das mit Ihnen?«
    »Ich nehme mal an, es soll mich zu einem besseren Menschen machen.« Das war eine gute Antwort, fand Vincent. Bestimmt wollte sie so etwas in diese Richtung hören. Und wenn es ihm gelang, sie davon zu überzeugen, dass mit ihm alles in bester Ordnung war, dass er tadellos funktionierte, dann würde er hier schnell wieder draußen sein.
    »So, so«, machte Dr. Cramer, nahm die schwere Brille ab undmassierte ihre Nasenwurzel. »Ein besserer Mensch … Wenn mir nur mal jemand erklären könnte, was das sein soll. Wissen Sie, was ich mich frage, seit ich diesen Job hier mache?«
    Vincent musterte sie argwöhnisch. »Nein.«
    »Freiheit heißt, wählen zu können. Zur Freiheit gehört also, auch die Unfreiheit wählen zu können. Aber was ist mit der anderen Richtung? Wenn Sie erst einmal unfrei sind, haben Sie keine Wahl mehr, auch nicht die, wieder frei zu sein. Warum muss das so sein? Natürlich, alles andere würde den Definitionen von Freiheit und Unfreiheit zuwiderlaufen, aber irgendwie kommt es mir trotzdem ungerecht vor.« Sie seufzte, setzte ihre Brille wieder auf und beugte sich vor, die Arme vor ihrer mächtigen Brust verschränkend. »Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit, Vincent.«
    Vincent verstand nicht, was das alles sollte und wovon sie überhaupt redete. »Von meiner Kindheit?«
    »Das macht man so bei Seelenklempnern. Man redet über seine Kindheit«, sagte sie.
    Wie es aussah, würde er darum nicht herumkommen, also tat Vincent wie geheißen. Er fing eher allgemein an, aber Dr. Cramer fragte hartnäckig nach und ließ nicht locker, ehe Vincent von seiner Mutter erzählte, den vielen Umzügen von Philadelphia weg

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