Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
hoffe«, fiel Simon als gesichtswahrendes Argument ein, »dass Sie nicht beabsichtigen, mein verfassungsmäßiges Grundrecht auf Meinungsäußerung und politische Betätigung infrage zu stellen.«
    »Ganz im Gegenteil«, erklärte der Rektor. »Ich habe in dieser Frage vorhin mit dem Oberschulamt telefoniert, und die Weisung, die ich von dort erhalten habe, dient in wahrhaft wunderbarer Weise sowohl Ihrem Wunsch nach politischer Betätigung wie auch der Beruhigung meines vorhin artikulierten Unbehagens. Es gibt nämlich eine Verfahrensvorschrift dahin gehend, dass Lehrer, die für ein hohes politisches Amt kandidieren – vom Landtag an aufwärts –, für ihren Wahlkampf und für den Fall, dass sie in das angestrebte Amt gewählt werden, auch für die Dauer dieses Amtes von ihrer Lehrtätigkeit freizustellen sind. Man hat mir auch erklärt, auf welche gesetzlichen Grundlagen das zurückgeht – aber Sie wissen das wahrscheinlich besser; ich habe es, ehrlich gesagt, schon wieder vergessen.«
    Simon schluckte unbehaglich. »Wie muss ich das verstehen? Was meinen Sie mit ›freistellen‹?«
    »Nun, Sie sind der Spitzenkandidat einer Partei, die an den Bundestagswahlen teilnimmt. Zumindest bis dahin sind Sie hiermit von Ihren Unterrichtsverpflichtungen entbunden«, erklärte der Rektor. »Und danach sieht man weiter.«
    »Aber ich bin in meinen Klassen mitten im Stoff, mitten im Schuljahr –«
    »Ich bekomme Ersatz; eine Kollegin aus Thüringen, die aus familiären Gründen nach Stuttgart wechseln möchte. Das hat man mir schon zugesagt für den Fall, dass sich in unserem Gespräch hier herausstellen sollte, dass die Dinge tatsächlich so liegen, wie es den Anschein hatte.« Der Rektor lehnte sich zurück und legte die Hände in einer abschließenden Geste vor sich auf den Tisch. »Was ja nun der Fall ist.«
    ***
    »Es tut mir sehr leid«, erklärte Alex zerknirscht, als der Werbespot auf dem Bildschirm von Roots Laptop zu Ende war.
    Die beiden waren zum ersten Mal in Simons Wohnung zu Gast. Alex trug einen edlen dunkelblauen Blazer, vernichtete aber den dadurch entstehenden Eindruck von Seriosität, indem erdazu eine Adlerfeder in dem zu einem Zopf geflochtenen und mit Perlen verzierten Haar trug. Er saß auf der Stuhlkante, als wolle er jeden Augenblick aufspringen.
    Root dagegen hatte sich beim Hereinkommen in einen Sessel geworfen und lag dort nun wie ein aufgequollener nasser Sack. Er trug heute ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift Wir sind die Leute, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben .
    »Der Plan war«, erinnerte Simon ruhig, »für die Partei VWM keinerlei Werbung zu machen. Keine Homepage, keine Prospekte, keine Plakate – nichts. Und nun das – ein Werbespot zur besten Sendezeit. Und zu allem Überfluss mit mir als …« Er hielt inne. »Ich weiß gar nicht, ob es dafür überhaupt ein Wort gibt. ›Thronanwärter‹ kann man schlecht sagen; schließlich existiert ja kein Thron.«
    Root wirkte nicht im Entferntesten so, als tue ihm in der ganzen Angelegenheit irgendetwas leid. »Ich finde das ein tolles Wortspiel«, erklärte er unbeeindruckt. »Simon König – König Simon: Die Idee ist doch viel zu gut, um sie zu verwerfen.«
    »Heh«, murrte Alex. »Das ist mein Spruch.«
    »Dieses tolle Wortspiel«, meinte Simon, »hat zur Folge, dass ich für den Rest des Jahres beurlaubt bin.«
    »Was heißt beurlaubt?«
    »Dass ich mich an meiner Schule nicht blicken lassen darf. Dass jemand anders meinen Unterricht fortsetzt.«
    »Und Ihr Gehalt?«
    Simon nickte. »Das kriege ich weiterhin, aber –«
    »Na, ist doch klasse.« Root hob die Hände. »Sie sollten mir dankbar sein, Mann. Ein Dreivierteljahr Urlaub – wer kriegt das schon?«
    Simon fand es anstrengend, die Contenance zu wahren. »Mal ganz abgesehen davon, wie mich dieser Vorfall persönlich in Verruf bringt«, begann er mit mühsam gewahrter Ruhe, »ist es ja so, dass wir, wenn die Dinge wie geplant laufen, irgendwann offenlegen müssen, dass die Gründung der VWM-Partei nicht dem Ziel diente, das diese Partei angeblich verfolgt, sondern dem, die prinzipielle Manipulierbarkeit von Wahlmaschinen zu beweisen.Die Freistellungsregelung, die der Rektor in meinem Fall angewandt hat, ist aber für Leute gedacht, die sich ernsthaft in einem Wahlkampf engagieren – umherreisen, Reden halten und so weiter. Das werde ich natürlich alles nicht tun, was bedeutet, dass man mir danach mit einigem Recht wird vorwerfen können, mir Leistungen

Weitere Kostenlose Bücher