Ein König für Deutschland
auf die Wettervorhersage. »Oder was meinst du, warum ich keinen DVD-Player habe?«
Verena seufzte. »Dann streich ich hier auch mal die Segel, hmm?«
»Ja«, sagte Helene. »Mach das. Kann nichts schaden, wenn dein Mann dich mal wieder sieht.«
Gerade als sie das Telefon zurück in die Ladestation stellte, verkündete der Fernsehapparat: »Parteien zur Bundestagswahl. Sie sehen einen Beitrag der Volksbewegung zur Wiedereinführung der Monarchie, VWM.«
Helene musste grinsen. Was es doch für absonderliche Parteien gab! Den Spot hatte bestimmt ein Witzbold beim Sender absichtlich auf diesen Sendeplatz gesetzt.
Sie ging in die Küche und hörte, während sie sich ein Glas Rotwein einschenkte, die Parolen. Ein Monarch als Garant für Stabilität und Vertrauen, bla, bla.
Es hätte nicht viel gefehlt, und das Weinglas hätte seine Existenz auf dem Weg zum Beistelltischchen beendet und die bislang makellose Sauberkeit des teuren Wohnzimmerteppichs gleich mit. Als Helene Bergen nämlich damit aus der Küche kam, erblickte sie auf dem Fernsehschirm ihren seit fast zwanzig Jahren von ihr getrennt lebenden Ehemann, in Würde ergraut und ernsten Blicks, und die jugendlich klingende Stimme des Sprecherserklärte dazu: »Wir fordern: Simon König soll König Simon I. werden, König von Deutschland.«
***
Volker Fuhrmann hatte sich mit seinem Vorhaben, die Sportsendung im anderen Programm zu sehen, nicht durchsetzen können. Er immer mit seinem Sport, hatte sich seine Frau beschwert, und im Übrigen habe sie allein in der letzten Woche zweimal auf einen Spielfilm verzichtet, der sie interessiert hätte.
»Dann geh ich eben in die Kneipe«, erklärte Volker Fuhrmann und stand auf, als der Wetterbericht vorbei war und ein Wahlwerbespot einer dieser ulkigen Winzparteien angekündigt wurde, die aussichtslos an der Bundestagswahl teilnahmen. »Dort läuft bestimmt keine Schnulze.«
Seine Frau zog die Beine aufs Sofa hoch und eine Schnute. »Irgendwie bist du nie da«, sagte sie.
Was erwidert man auf so einen Vorwurf? Eine innere Stimme riet Volker Fuhrmann, jetzt bloß nicht anzubieten, dass er dableiben würde, wenn er auf die Sportsendung umschalten durfte. Weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte, blieb er ebenso ratlos wie schuldbewusst in der Tür stehen.
So kam es, dass ihm der Anblick seines ungeliebten Kollegen zuteilwurde, wie er aus dem Schulportal trat und energischen Schrittes auf die Kamera zu schritt, während die jugendlich klingende Stimme des Sprechers erklärte: »Wir fordern: Simon König soll König Simon I. werden, König von Deutschland.«
Volker Fuhrmann schloss die Augen, öffnete sie wieder. Der Schirm zeigte eine wehende Deutschlandfahne, und es hieß: »Parteien zur Wahl. Sie sahen einen Beitrag der Volksbewegung für die Wiedereinführung der Monarchie, VWM.«
Das hatte er gerade geträumt, oder? Er wollte nicht hoffen, dass er anfing, verrückt zu werden.
»Komisch«, meinte seine Frau. »Ich hätte schwören können, dass das gerade ein Kollege von dir war.«
Volker Fuhrmann spürte, wie unartikulierte, kieksende Lauteaus seiner Kehle quollen. König? Der alte Knacker entpuppte sich als Monarchist? Und nicht nur das, er entblödete sich auch noch, sich selber vorzuschlagen für einen Thron, den es überhaupt nicht gab?
Das Kieksen wurde endlich zu einem Lachen. Jetzt hatte er ihn. Diese Geschichte würde König das Genick brechen.
***
»Das stellt mich vor einen Konflikt«, erklärte der Rektor am nächsten Morgen in seinem mit dunklen Eichenmöbeln ausgestatteten Büro, dem einzigen Raum an der Schule, in dem man imstande war, die architektonische Gesamtaussage des Baus zu vergessen. »Ich nehme an, das verstehen Sie.«
Simon verstand überhaupt nichts. Das fing schon damit an, dass er immer noch nicht restlos begriff, was eigentlich vorgefallen war. Irgendwie hatte alles mit gestern Abend zu tun, als er friedlich über einem Buch gesessen hatte, Mark Aurels Selbstbetrachtungen. Auf dem Plattenteller hatte sich Vivaldis Cellokonzert in e-Moll gedreht, als plötzlich dieser Fuhrmann angerufen und ihm völlig abstruse Vorwürfe ins Ohr trompetet hatte. »Das kostet Sie Ihren Kopf, König!«, hatte er gegrölt und: »Sie sind ja größenwahnsinnig!« Nicht um alles in der Welt hatte er verstanden, was für eine Laus dem anderen über die Leber gelaufen war. Schließlich war Simon zu dem Schluss gelangt, dass Fuhrmann betrunken sein müsse, und hatte ohne weiteren Kommentar
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