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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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erschlichen zu haben. Denn dass ich, ohne dafür zu arbeiten, mein Gehalt weiter bekomme, stellt ja unzweifelhaft eine Leistung des Gemeinwesens dar.« Er hielt inne. Je deutlicher er das formulierte, desto deutlicher kam ihm zu Bewusstsein, in welche schwierige Lage ihn Root mit seinem »lustigen« Einfall gebracht hatte. Das Ganze konnte ihn die Pension kosten, wenn es dumm lief.
    »Ich denke, Sie sollten, um sich abzusichern, an höherer Stelle offiziell gegen die Beurlaubung Widerspruch einlegen und betonen, dass Sie bereit sind, den Unterricht jederzeit wieder aufzunehmen«, sagte Alex. »Ich kann meinen Anwalt beauftragen, Sie zu beraten. Aber was Ihren Ruf anbelangt … Ich glaube, Sie machen sich da zu viele Sorgen. Ich meine – das war ein einziger Werbespot. Gerade mal zwei Minuten. Und kein Mensch wird den noch einmal zu Gesicht kriegen. In ein paar Tagen ist alles vergessen, jede Wette.«
    ***
    Als Helene Bergen seinerzeit den Posten der Chefredakteurin übernommen hatte, war der Konferenzraum ein nüchtern-sachlicher Raum gewesen, ausgestattet mit wenig mehr als einem großen Tisch und einer zweckmäßigen Beleuchtung. Davon war nichts mehr zu erkennen: Plüschsofas, Ledersessel, Beistelltisch mit Tiffanylampe, pastellfarben gestrichene Wände und viele Vorhänge mit romantischen Blumenmustern schufen, was Helene unter einer behaglichen Atmosphäre verstand.
    Nur den Konferenztisch gab es noch: Eine bestickte Tischdecke verbarg ihn.
    Die Entwürfe, die Helene am Tag zuvor angefordert hatte, lagen bereit und sahen nach viel Mühe aus, aber sie legte sie nacheinem beiläufigen Blick beiseite und fragte: »Wer hat gestern Abend den Wahlwerbespot von dieser Partei gesehen, die die Monarchie in Deutschland wieder einführen will?«
    Drei Hände hoben sich, die übrigen Redakteurinnen und der eine Mann, der es in die Redaktion einer Frauenzeitschrift geschafft hatte – sein Name war Felix –, schauten nur verdutzt drein. Felix runzelte zudem die Stirn, was seine Kolleginnen zu unterlassen gelernt hatten, weil das Falten machte.
    »Die wollen, dass ein gewisser Simon König König von Deutschland wird, als König Simon der Erste«, erklärte Manuela. Manuela schrieb sämtliche Antworten auf Leseranfragen und nicht selten auch die Leseranfragen selbst.
    Roswitha, zuständig für Kochen und Backen, schüttelte den Kopf. »Man muss sich wundern, was es für durchgeknallte Leute gibt.«
    »Och, aber der sah gut aus«, meinte Manuela. »Richtig königlich.«
    Worauf ein Gekicher und Gegacker einsetzte, das Helene eine Weile die Runde machen ließ, ehe sie es auf gewohnte Weise – nämlich indem sie mit ihrem Kugelschreiber energisch auf ihre Ledermappe pochte – zum Verstummen brachte.
    »Mädels«, erklärte sie streng, »das ist ein Thema für uns. Ein König für Deutschland – das könnte sogar ein großes Thema werden.«
    »Die haben doch aber keine Chance«, wandte Felix ein. »Die werden null Komma null null irgendwas Prozent der Stimmen kriegen – ihre eigenen hauptsächlich – und fertig.«
    Helene sah ihn an, seufzte abgrundtief und fragte: »Felix – wie lange bist du jetzt schon bei uns?«
    »Vier Jahre?«, riet Felix, der große blaue Augen und schwarze Locken hatte, nicht verheiratet und nicht liiert war und auch noch nie irgendeine Frau im Hause angebaggert hatte, vermutlich also schwul war. Er war für alles zuständig, was mit Reisen, Wellness und dergleichen zu tun hatte.
    »Vier Jahre«, wiederholte Helene. »Dann solltest du inzwischen begriffen haben, wie unser Geschäft funktioniert. Wir sindweder die FAZ noch die ZEIT noch die Süddeutsche. Für uns sind Fakten zweitrangig. Wir verkaufen nicht Nachrichten, wir verkaufen Träume, Felix. Schöne Träume. Unsere Leserinnen sollen wohlig seufzen, wenn sie unsere Zeitschriften lesen.«
    Der Rest der Runde intonierte an dieser Stelle ein kollektives, hingebungsvolles »Hach!«. Sie kannten Helenes Standpauke alle schon.
    »Und Mädels«, fuhr Helene fort und sah in die Runde, »ein König für Deutschland! Stellt euch das doch vor! Nicht mehr nötig, nach Kopenhagen, Den Haag, London oder Stockholm zu schauen. Nie wieder Ärger mit Caroline von Monaco. Wir hätten alles im eigenen Lande!«
    Niemand wusste, dass Simon König ihr Mann war. Die meisten wussten nicht einmal, dass sie von Rechts wegen verheiratet war. Wie auch, schließlich lebte sie seit fast zwanzig Jahren alleine.
    Helene war sich nicht sicher, ob sie das, was sie vorhatte,

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