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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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den Hemdtaschen männlicher Zuschauer. (Einer davon war Huck, der, als Zantini ihm den Strauß aushändigte, ihn spontan der neben ihm sitzenden Sue-Ellen überreichte, worauf diese ihn ebenso spontan – und unter Bruch der Vereinbarung mit den anderen Mädchen – küsste.)
    Den tollsten Trick aber – zumindest nach Vincents Meinung – vollbrachte Zantini, als er mit verbundenen Augen erriet, wo im Saal die Zuschauer in seiner Abwesenheit einen magischenFingerhut versteckt hatten. Wobei Vincent den Trick möglicherweise deswegen so beeindruckend fand, weil er derjenige war, der Zantini bewachen musste. Er begleitete ihn nach draußen, verband ihm die Augen, setzte ihm Gehörschützer auf und sorgte auf jede nur erdenkliche Weise dafür, dass der Zauberkünstler nicht mitbekam, wie man sich drinnen im Saal auf ein Versteck einigte.
    Es dauerte lange, bis jemand herauskam und Bescheid gab, dass sie kommen könnten. Zantini hatte die ganze Zeit stumm dagestanden, die Hände vor der Brust zusammengelegt. Vincent nahm ihm vereinbarungsgemäß die Ohrenschützer ab, ließ die Augen aber weiterhin verbunden und führte ihn so zurück in den Saal.
    »Derjenige, der den Fingerhut zuletzt berührt hat, möge vor mich treten«, rief Zantini über das gespannte Getuschel hinweg.
    Das war Ramesh, der sich erhob und herkam. Er grinste und zwinkerte Vincent in einer Art zu, die besagen sollte: »Von mir erfährt der nichts!«
    »Treten Sie vor mich, mit dem Rücken zu mir, sodass ich Ihnen die Hand auf die Schulter legen kann«, verlangte der Zauberer.
    »Okay«, sagte Ramesh, stellte sich vor ihn und grinste noch breiter. Zantini streckte die Hand aus, verfehlte Rameshs Schulter aber und bekam sie erst beim zweiten Versuch zu fassen.
    »Und nun bitte ich um ab-so-lute Ruhe«, rief er mit Stentorstimme. »Ruhe und Konzentration. Bitte denken Sie alle an den Ort, an dem der Fingerhut versteckt liegt.«
    Es wurde mucksmäuschenstill, so still, dass man die Klimaanlage summen hörte und auch, wie es in der Küche klapperte und wie vorne im Restaurantbereich ein Löffel oder dergleichen auf den Boden fiel. Die einzige Bedingung war gewesen, dass der Fingerhut aufrecht auf einer festen Unterlage stehen musste; es hatte ihn also nicht einfach jemand in die Tasche gesteckt. Aber feste Unterlagen gab es viele in diesem Saal, in dem ohne Probleme zweihundert Menschen verköstigt werden konnten.
    »Gehen Sie jetzt langsam geradeaus und führen Sie mich durch den Saal, damit ich die Schwingungen erfassen kann«, sagte Zantini.
    Ramesh tat wie geheißen, ging Schritt um Schritt zwischen den Tischen hindurch.
    »Bewegen wir uns auf das Versteck zu?«, fragte Zantini und beantworte sich seine eigene Frage sogleich mit: »Nein, wir entfernen uns davon. Bitte in die andere Richtung.«
    Ramesh wirkte einen Moment regelrecht erschrocken, folgte der Anweisung dann aber.
    »Mehr nach links«, befahl Zantini. »Nein, mehr nach rechts. Weiter … Halt.« Er schwieg, wandte den Kopf hierhin und dahin, als könne er den kleinen Gegenstand wittern. »Weiter. Mehr links halten. Nein, jetzt nach rechts.«
    Vincent, der ebenfalls keine Ahnung hatte, wo die anderen den Fingerhut versteckt hatten, behielt Consulea im Auge. Sie saß mitten in dem ganzen Trubel wie die ungekrönte Königin des Abends und strahlte aus allen Knopflöchern vor Stolz und, ja, Wohlwollen. Wenn es eine Person im Saal gab, von der er glaubte, dass sie mit Zantini zusammenarbeitete, dann war das Consuela – die aber beobachtete ihren Liebhaber genauso fasziniert und stumm wie der Rest der Belegschaft. Es sah absolut nicht so aus, als gebe sie ihm heimlich Zeichen – wie auch, Zantini sah ja nichts. Nein, eigentlich sah es eher so aus, als frage sich Consuela genau wie alle anderen einfach nur, wie dieser Mann mit verbundenen Augen einen so kleinen Gegenstand in einem so großen Saal finden wollte.
    Schließlich hieß Zantini Ramesh vor einem Tisch anhalten. »Was sehen Sie auf dem Tisch?«
    »Ich sehe zwei Kaffeetassen«, zählte Ramesh auf, von den um den Tisch Herumsitzenden großäugig angestarrt, »einen Kuchenteller mit einem halb gegessenen Kuchen, drei Weingläser, eine zusammengeknüllte Serviette, eine Blumenvase …«
    »Heben Sie die Serviette hoch«, befahl Zantini.
    Ramesh tat wie geheißen – und da stand der Fingerhut auf dem Tisch!
    »Wie haben Sie das gemacht?«, fragte Vincent später, als die Vorstellung unter donnerndem Applaus zu Ende gegangen war und sie

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